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Hohe Medikamentenpreise Das Geschäft mit Krebs: Handel mit der letzten Hoffnung

Ein teures neues Medikament soll Brustkrebs für einige Monate stoppen. Es wird Hersteller Pfizer dieses Jahr einen Milliarden-Umsatz einbringen. Im «Kassensturz» warnen Krebsärzte und Gesundheitsökonomen: Bald könnten solch teure Krebsmedikamente nicht mehr allen Kranken zur Verfügungen stehen.

«Die Politik muss jetzt handeln», sagt Beat Thürlimann, Chefarzt im Brustkrebszentrum des Kantonsspitals St. Gallen. Der Onkologe befürchtet, dass bald nicht mehr alle Patienten von den neusten Medikamenten profitieren können: «Das Schlimmste wäre, wenn uns ein gutes neues Medikament nicht zu Verfügung stünde, weil es zu teuer ist.» Thürlimanns Sorge: Hochpreisige Krebsmedikamente könnten zu Rationierung führen und den gerechten Zugang für alle Krebskranken gefährden.

Monatspackung für 10‘000 Dollar

«Solche Preise sind irrsinnig»

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Krebsspezialist und Ex-SP-Nationalrat Franco Cavalli warnt im «Kassensturz»-Interview vor einer Zweiklassenmedizin. Mehr

Das aktuellste Beispiel dieser Diskussion heisst Ibrance, ein Medikament für die Behandlung von Brustkrebs mit Metastasen. Ibrance kann den Krebs nicht heilen. Es soll aber das Fortschreiten der Krankheit um einige Monate aufhalten. Seit heute ist der Preis in der Schweiz bekannt, das Medikament kostet 4‘145.50 Franken pro Monat.

Finanzanalysten schätzen, dass US-Hersteller Pfizer allein mit diesem Präparat dieses Jahr weltweit einen Umsatz von 3,5 Milliarden Dollar machen wird. In der Branche nennt sich ein solches Medikament «Blockbuster».

Rationierung bei Umsatzrennern

Krebsspezialist Thürlimann behandelt bereits mit Ibrance. Bis zur offiziellen Preisfestsetzung bekommen Patientinnen das Medikament kostenfrei. Eine davon ist Manuela J. Seit zwölf Jahren lebt sie mit der Diagnose Brustkrebs. Mittlerweile hat sie Metastasen in Knochen, Leber und Lunge. «Von Heilung kann ich in meiner Situation nicht sprechen», sagt die 50-Jährige. «Das Wichtigste für mich ist eine gute Lebensqualität, damit ich noch arbeiten und für meine Familie da sein kann.» Die Preise der Medikamente seien «verrückt», aber solche Überlegungen müsse sie zur Seite schieben: «Bei mir geht es ums nackte Überleben.»

«Irrsinnige Medikamentenpreise»

Von «irrsinnigen» Medikamentenpreisen spricht auch der Tessiner Krebsspezialist Franco Cavalli: «Es gibt neue Medikamente, die 15‘000 bis 16‘000 Franken pro Monat kosten.» Gerade beim Krebs müssten mehrere Medikamente zusammen verabreicht werden. «Mit diesen Kombinationsbehandlungen kommen wir bis eine halbe Million pro Jahr», stellt der ehemalige SP-Nationalrat fest. «Das sind Kosten, die niemand tragen kann.» Losgelöst von Forschung- und Herstellungskosten diktiere die Pharma den Peis.

Säulendiagramm mit Kosten für Krebsmedikamente.
Legende: Die Kosten für die Krankenkassen steigen stetig. SRF

Aus der Sicht der Ethik:

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«Die teuerste Therapie muss nicht die bestmögliche sein», sagt Medizinethikerin Nikola Biller-Andorno im SRF-Interview .

Das widerspiegelt sich in den Ausgaben für Krebsmedikamente in der Grundversicherung. In den letzten zehn Jahren sind die Kosten auf das Dreifache angestiegen: von 213 Millionen Franken auf 636 Millionen. Guido Klaus von der Krankenkasse Helsana kritisiert, dass weder Kassen noch Patientenorganisationen gegen einmal festgelegte Pharmapreise vorgehen könnten. «Behörden müssen genau hinschauen, ob das Kosten-Nutzen-Verhältnis von solch teuren Medikamenten stimmt», sagt Klaus. Bei günstigeren Alternativen müsse das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auch Präparate von der Liste der kostenpflichtigen Medikamente streichen: «Da braucht es mutige Entscheide.»

Nutzen bei Zulassung oft unbekannt

Der Nutzen neuer Medikamente ist bei der Zulassung oft unklar. Eine Studie des renommierten österreichischen Ludwig Boltzmann Instituts hat 2016 die Daten der Krebsmedikamente analysiert, die in den letzten Jahren zugelassen worden sind. Das Fazit ist ernüchternd: «Zum Zeitpunkt der Zulassung durch die europäische Arzneimittelbehörde ist bei vielen Medikamenten der tatsächliche Nutzen nicht bekannt.» Nur gerade jedes zehnte Medikament kann das Leben im Schnitt um über 100 Tage verlängern.

«Das beste Medikament wird unbezahlbar»

Interessante Links:

In Bern macht Klazien Matter-Walstra für die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) aufwendige Kosten-Nutzen-Analysen von neuen Medikamenten (siehe Linkbox). Die Gesundheitsökonomin beobachtet, dass sogar ältere Krebsmittel in der Preisspirale mit nach oben gezogen werden: «Wenn man das weiter denkt, dann wird das beste Medikament, das es je geben wird, nicht mehr bezahlbar sein.»

Matter-Walstra stellt fest, dass das Gesundheitssystem nicht wie ein normaler Markt funktioniert: «Je mehr vergleichbare Medikamente verfügbar sind, je teurer werden sie. Nicht günstiger.»

Ibrance zu teuer für England

Die hochpreisigen Krebsmedikamente werden für die Gesundheitssysteme weltweit zur Zerreissprobe. In England verlangt Pfizer so viel, dass Ibrance den Bruskrebspatientinnen vorerst nicht bezahlt wird. Ein gewonnenes, qualitätbereinigtes Lebensjahr würde 180'000 Franken kosten. Zu teuer im Verhältnis zum Nutzen.

«Umsatz von maximal 10 Millionen Franken»

Ab März ist Ibrance auf der Spezialitätenliste der kostenpflichtigen Medikamente. Damit sei die Schweiz eines der weltweit ersten Länder, das schwerkranken Patientinnen das Medikament vergüte, schreibt Pfizer. Das BAG habe die Erstattung von Ibrance durch die Krankenkassen gewährt, weil das Medikament die Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit erfülle. «Aufgrund der jährlichen Therapiekosten von Ibrance ist ein Umsatz von über 10 Millionen Franken pro Jahr nicht zu erwarten.» Das Mittel gehöre zu einer neuen Klasse von Krebsmedikamenten und stelle bei metastasiertem Brustkrebs «einen potenziellen neuen Massstab für die Behandlung» dar.

«Bei Krebs akzeptieren Behörden jeden Preis»

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Bei Krebsmedikamenten sei es für die Pharmaindustrie viel einfacher, hohe Preise durchzuboxen, sagt Krebsforscher Franco Cavalli: «Jeder fürchtet sich vor Krebs, und deshalb haben die Behörden auch nicht den Mut zu sagen, «Nein, diesen Preis akzeptieren wir nicht.»

Daniel Bach vom BAG widerspricht: «Das sind zum Teil harte Verhandlungen.» Vor allem ausländische Firmen würden nicht von ihren Preisvorstellungen abrücken wollen. «Sie haben kein Interesse daran, uns Rabatt zu geben», sagt Bach. Denn der Schweizer Preis sei für andere Länder Referenz. Werde der Schweizer Preis reduziert, schwäche dies für die Pharmahersteller auch in anderen Ländern das Geschäft.

«Jeder gewonnene Tag ist ein Geschenk»

Krebsspezialist Beat Thürlimann fordert dringend andere Preismodelle: «Neue Medikamente müssen sich künftig viel mehr an ihrer Wirksamkeit und Verträglichkeit messen lassen.» Als Arzt will er allen die beste Behandlung anbieten. Bei Manuela J. hat Ibrance allerdings ungenügend funktioniert. Im Wettlauf gegen den Krebs bekommt sie bereits das nächste Präparat. «Ich weiss nicht, wieviel Zeit ich noch hätte, wenn ich keine Medikamente nehmen würde,» sagt die zweifache Mutter. «Jeder Tag, jede Woche, jeder Monat an Leben ist ein Geschenk». Wieviel diese Zeit kosten dürfe, sagt ihr Onkologe, müsse die Gesellschaft entscheiden.

Treibt es die Pharmabranche mit ihren Preisforderungen zu weit?

Thomas Cueni, Generaldirektor des Weltpharma-Verbandes IFPMA, nimmt im «Kassensturz»-Studio Stellung.

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