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Abgezockt im Beauty-Shop Aggressive Kosmetikverkäufer: Die fiese Masche der Beauty-Shops

Charmantes Personal der DM Retail AG lockt Passantinnen in ihr Ladenlokal – und schwatzt horrend teure Produkte auf.

Es ist eine perfide Masche, die offenbar oft gut funktioniert. Und sie geht so: Charmante, junge Verkäuferinnen und Verkäufer bezirzen Passantinnen vor ihrem Kosmetikgeschäft und locken sie in den Laden. Wer einmal drin ist, sitzt wie die Fliege in der Venusfliegenfalle.

«Kassensturz» ist an Ihrer Meinung interessiert

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Denn das Verkaufspersonal nutzt alle möglichen Tricks, um ahnungslosen Kundinnen Kosmetika oder LED-Lampen zur Hautbehandlung anzudrehen. Zu horrenden Preisen. Die Shops betreibt die DM Retail AG. Sie vertreibt Kosmetik unter den Marken «Iconique Revolutionary Beauty, Premier by Dead Sea Premier, Opatra London, Skin Heaven und Vine Vera».

Mit Druck und Komplimenten zur horrenden Rechnung

Von jung bis 80-jährig: Bei «Kassensturz» haben sich verschiedene Frauen gemeldet, die wegen der Masche viel Geld verloren haben. Alle besuchten Läden der Kosmetik-Kette DM Retail AG. Diese betreibt mehrere Läden in Zürich, St. Gallen und in der Raststätte Würenlos. Laut der DM Retail-Website betreibt die Firma auch temporäre Pop-up-Stores in Einkaufszentren.

Kundinnen können Verträge widerrufen

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Wer auf der Strasse angesprochen und zu einem Kauf überredet wird, kann den Vertrag innerhalb von 14 Tagen schriftlich widerrufen, also davon zurücktreten. Juristinnen sprechen vom sogenannten Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften.

Dieses Widerrufsrecht gilt auch, wenn jemand auf der Strasse angesprochen wird, der Verkäuferin in den Laden folgt und dort den Vertrag unterschreibt. Frédéric Krauskopf, Professor für Privatrecht an der Universität Bern sagt: «In Lehre und Rechtsprechung wird anerkannt, dass der Schutzgedanke der Haustürgeschäftsregeln (Art. 40a ff. OR) auch dann greift, wenn die Überrumpelung nicht am Ort des Vertragsschlusses, sondern bereits durch das überraschende Ansprechen auf der Strasse erfolgt. Der entscheidende Punkt ist, dass die Kundin durch das überraschende Ansprechen und die Initiative des Anbieters in eine Überrumpelungssituation gerät. Wird der Vertrag anschliessend in den Geschäftsräumen abgeschlossen, bleibt das Widerrufsrecht bestehen.»

Widerrufsrecht kann länger bestehen als 14 Tage

Kundinnen und Kunden müssen laut Gesetz im Vertrag auf ihr Widerrufsrecht hingewiesen werden. Fehlt ein solcher Hinweis im Vertrag, entfällt die Frist von 14 Tagen. Wird eine Kundin beim Vertragsschluss nicht auf das Widerrufsrecht hingewiesen, kann sie den Vertrag noch Wochen oder Monate nach Ablauf der 14 Tage widerrufen.

Kundinnen müssen Produkte zurückgeben

Wichtig: Das Gesetz schreibt vor, dass Kundinnen und Kunden den Widerruf schriftlich erklären müssen. Dazu genügt ein eingeschriebener Brief an die Anbieterin mit dem Satz: «Ich widerrufe den am (Datum) abgeschlossenen Vertrag. Bitte überweisen Sie mir den Kaufpreis von (…) auf mein Konto (Bankverbindung angeben).»

Eine Begründung ist bei einem Widerruf nicht notwendig. Nach einem Widerruf kann die Anbieterin die Produkte zurückverlangen. Es empfiehlt sich, im Widerrufsschreiben zu fragen, ob die Anbieterin die Produkte zurückmöchte oder ob sie darauf verzichtet.

Gemeldet haben sich unter anderem Nathalie F. und Fabienne G. Sie hatten beide über Instagram eine Einladung für eine Gesichtsbehandlung erhalten und gingen in den Premier-Shop in Zürich. «Ich dachte mir: Schadet ja nicht. Ich kann ja mal hingehen», so Fabienne G. Doch der Besuch kommt die beiden teuer zu stehen. Sie machen unabhängig voneinander die gleiche, teure Erfahrung: «Ich habe mich sehr manipuliert gefühlt», erzählt Natalie F. Die Verkäufer hätten sie geschickt eingeseift und auch Druck aufgesetzt.

Mehrere tausend Franken für Cremes und LED-Lampen

Beide Frauen unterschreiben schliesslich einen Kaufvertrag für Cremes und einen Infrarot-Stab. Kosten: rund 3000 Franken. «Plötzlich stehe ich hier mit einer Rechnung und Produkten, die ich eigentlich gar nicht haben wollte!», sagt Fabienne G. Sie seien regelrecht überrumpelt worden durch eine lange und geschickte Beratung.

Andere Frauen schildern, wie sie auf der Strasse vor dem Lokal angesprochen und in den Laden gelockt wurden. Und sich Produkte für mehrere tausend Franken aufdrängen liessen. Etwa für eine Infrarot-Gesichtsmaske, die mehrere tausend Franken wert sein soll.

Einschätzungen der Psychologin zur Verkaufstaktik

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Nach dem Besuch in einem Kosmetik-Shop von DM Retail kommt Wirtschaftspsychologin Jill Wick, Expertin für psychologische Manipulations-Tricks, zum Schluss: Das Verkaufspersonal hat gezielt mehrere, manipulative Techniken im Gespräch eingesetzt. In der Psychologie spricht man von Sympathie, sozialer Bewährtheit, Knappheit, Gegenseitigkeit und Autorität. So baut das Personal etwa mit Komplimenten Sympathie auf.

Soziale Bewährtheit bedeutet: Wenn viele andere Kundinnen das auch kaufen, dann wäre man ja blöd, das nicht auch zu machen. Knappheit: Es wird suggeriert, ein Spezial-Rabatt sei nur gerade jetzt erhältlich, später nicht mehr. Und Gegenseitigkeit bedeutet in diesem Kontext: Erhalten wir ein Geschenk, etwa ein Getränk oder ein Gratis-Muster, fühlen wir uns verpflichtet, etwas zurückzugeben.

Und Autorität wird mit Expertenwissen aufgebaut: So hat die Verkäuferin im Gespräch viele verschiedene Ausbildungen aufgezählt, die sie gemacht haben will.

«Kassensturz» will es genauer wissen. Reporterin Sofika Yogarasa lässt sich für einen Selbstversuch in Zürich ebenfalls in einen Iconique-Laden locken. Begleitet von der Wirtschaftspsychologin Jill Wick. Eine Stunde lang werden die beiden regelrecht bearbeitet: mit Komplimenten, Geschenken und angeblich nur an diesem Tag gültigen Rabatten. Die Verkäuferinnen arbeiten mit sozialer Manipulation, so Jill Wick: «Zum Beispiel mit Sympathie und Komplimenten.»

Dermatologe rät von den Produkten ab

«Kassensturz» legt die Cremes, Peelings und LED-Gesichtsmasken Thomas Kündig vor, Direktor der Dermatologischen Klinik am Universitätsspital Zürich. Er hält von den Produkten «wenig bis gar nichts». Zwar werde auch in der Dermatologie mit Licht gearbeitet. «Aber das sind Geräte, die sehr hohe Intensitäten haben.» Die verkauften Lampen hätten damit nichts zu tun: «Ich meine, das kann man sich bei Temu sicher für fast kein Geld bestellen. Ein medizinisches Produkt kommt nicht in einer goldenen Verpackung daher. Das ist verdächtig.»

DM Retail AG weist die Vorwürfe in einer Stellungnahme zurück. Man anerkenne, dass einzelne Kundinnen unzufrieden sein könnten, das seien aber Ausnahmen.

Stellungnahme DM Retail AG

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«Das Wohlbefinden unserer Kunden*Innen hat für uns oberste Priorität. Die Vorgänge, wie Sie von Ihnen geschildert werden, können wir so nicht bestätigen und verweisen auf die Tatsache, dass wir tausende zufriedene Kunden*Innen haben an mehreren Standorten in der Schweiz. Diese sind offenbar nicht zur Sprache gekommen sind. Wir ermitteln die Bedürfnisse unserer Kunden*Innen jeweils individuell und geben Empfehlungen ab, da wir von unseren Produkten selbst überzeugt sind.

Die Kaufentscheidung liegt bei der jeweiligen Kundin bzw. beim jeweiligen Kunden. Unsere Produkte sind hochmodern und komplex und deren Wirksamkeit ist bestätigt, wobei die individuelle Erfolgsquote bei allen Kunden*Innen unterschiedlich sein kann. Diejenigen von uns verkauften Produkte, welche FDA-zertifiziert sind, verfügen über ein entsprechendes Label. Ungeöffnete Kosmetikprodukte können innert 2 Wochen retourniert werden und wir nehmen sämtliche Beschwerden, sei es zu den von uns verkauften Produkten oder zur Beratung, ernst und wir sind zuversichtlich, weiterhin auf viele treue und zufriedene Kunden*Innen zählen zu dürfen. 

Wir erkennen an, dass es in Einzelfällen zu Unzufriedenheit kommen kann. Gleichzeitig möchten wir betonen, dass unser Unternehmen sich mit grossem Engagement um die Zufriedenheit seiner Kundinnen und Kunden bemüht. Solche Fälle stellen jedoch eine Ausnahme dar und stehen im deutlichen Gegensatz zu den tausenden von Kundinnen und Kunden, die mit unseren Leistungen sehr zufrieden sind.»

Radio SRF 1, Espresso, 10.6.25, 8:10 Uhr

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