Astrid Huser benötigte schnellstmöglich Hilfe: Plötzlich war die Filteranlage ihres Koi-Teichs defekt, die Fische drohten zu sterben. «Ich suchte über Google eine regionale Firma, die ich kenne», erzählt die Rentnerin. Astrid Huser ruft an und man versichert ihr, dass sie mit der ihr bekannten Firma spreche – eine glatte Lüge.
Die Rechnung: ein Schock
Bald darauf fahren zwei Männer in einem Privatauto vor. Auf Nachfrage erklären sie, mit der bekannten Firma zusammenzuarbeiten. Sie beginnen mit der Arbeit. Nach drei Stunden schreiben sie vor Ort die Rechnung. «Mich traf der Schock, sie verlangten 9739 Franken!», sagt Astrid Huser.
Die Männer machen Druck auf die Rentnerin, dass sie sofort bezahlt, bar oder mit Karte. In der Not bezahlt sie die Rechnung und weiss heute, dass sie über den Tisch gezogen wurde. Die Rechnung stellten Mitarbeiter der Firma Artiflex Services GmbH aus. Eine Nachfrage bei der Firma aus der Region, die Astrid Huber eigentlich anrufen wollte, zeigt: Die Firma Artiflex ist dort unbekannt, es gibt keine Zusammenarbeit.
Systematische Abzocke
Der Fall Huser ist kein Einzelfall: Artiflex-Mitarbeiter machen systematisch Kasse mit Menschen in Notsituationen. Das zeigen sämtliche Fälle, die Kassensturz vorliegen. Vom «Sanitär» über die «Rohrreinigung» bis zum «Schlüsseldienst»: Das Betätigungsfeld der Firma ist gross, der finanzielle Schaden für die Kundinnen und Kunden auch.
«Das Vorgehen ist kriminell»
Roger Eschmann ist Inhaber der Firma Schlüssel M. Eschmann AG und seit fast 40 Jahren im Geschäft. Die Masche mit den «Schlüsseldiensten» ist ihm bekannt. Für ihn ist klar: Das Vorgehen ist kriminell. «Das ist Abriss, Wucher und überhaupt nicht realistisch, was solche Firmen für ihre Arbeit verlangen. Darunter leidet der Ruf von uns seriösen Firmen.»
Auch Christian Brogli, Mediensprecher von Suissetec, Verband der Gebäudetechniker, kennt die Masche: «Leider gibt es viele Firmen mit einem Geschäftsmodell im Grenzbereich der Legalität, und leider fallen in Notsituationen auch immer wieder Leute auf solche dubiose ‹Fake-Handwerker› rein.»
Die Firma? Ein Briefkasten
«Kassensturz» will die Firma Artiflex Services GmbH und ihren Geschäftsführer, den Niederländer Soufyan Loukili, mit den Recherchen konfrontieren. In Cham, am offiziellen Firmensitz.
Doch da ist nichts zu finden, ausser einer Information an einem Briefkasten: Die Kontaktadresse sei in Herisau. An besagter Adresse in Herisau ist jedoch nur der Name des Geschäftsführers zu finden, der offenbar nicht mehr hier wohnt.
Webseiten verschwinden
Während der Recherche verschwindet plötzlich der Firmenname Artiflex auf den «Handwerker»-Webseiten, neu wirbt die Firma Express Handwerk GmbH für die Dienstleistungen. Auffällig: Die Abrechnungen der beiden Firmen sind identisch.
Auch zu Express Handwerk GmbH liegen Kassensturz mehrere Fälle von überrissenen Rechnungen vor. Auf sämtliche Anfragen reagierten die Firmen nicht, die Telefonnummer der Kunden-Hotline funktioniert nicht. Inzwischen sind auch die besagten «Handwerker»-Webseiten der Firmen nicht mehr erreichbar.