Die Rechnung ist simpel. Weniger Inhalt zum selben Preis bedeutet eine Preiserhöhung. Das Problem: Die Verkleinerung des Inhalts wird oft gar nicht bemerkt.
Dazu ein blumiges Beispiel aus der Migros. Ein Bund mit 15 Tulpen kostete früher CHF 4.95. Auch heute noch beträgt der Preis CHF 4.95 – der Strauss ist aber um ganze 3 Tulpen geschrumpft. Der auf 12 Tulpen verkleinerte Strauss ist ein Beispiel für das Phänomen «Shrinkflation», d.h. weniger zum gleichen Preis.
Für die Migros sei das keine versteckte Preiserhöhung: «Ziel ist es, einen Strauss für weniger als fünf Franken anzubieten. Steigen die Blumenpreise, ändert sich infolgedessen nicht der Verkaufspreis, sondern die Anzahl der Blumen», so die Erklärung der Medienstelle von Migros.
Es merkts ja niemand
Das Fiese an der Shrinkflation ist, dass sie kaum auffällt. Als vor wenigen Jahren die «Kiri»-Käslein um 2 Gramm schrumpften, bemerkte das zuerst kaum jemand. Aufs 8er-Pack hochgerechnet, fällt die Reduktion aber ins Gewicht. Statt 160 Gramm gibts noch 144 Gramm. Da der Preis gleich bleibt, bedeutet das eine versteckte Preiserhöhung von über 11 Prozent.
Cheapflation
Um die Preiserhöhung zu rechtfertigen, argumentieren Grossverteiler und Markenartikelhersteller oft damit, dass das Produkt qualitativ verbessert worden sei. So auch im Fall von Kiri. Cécile Béliot, Geschäftsführerin des Herstellers Bel Group, verteidigte sich im französischen Fernsehsender BFM: «Wir haben das Rezept verändert. Wir machten eine Innovation.»
Qualitätsverbesserungen: Faule Ausrede oder gewichtiges Argument?
Auch Artikel für Körperhygiene sind von Schrumpfungen betroffen. So reduzierte sich der Inhalt einer Schachtel Tampax von 22 auf neu noch 20 Tampons. Auch die Pampers Windeln enthalten statt 36 nur 34 Stück. Da die Verkaufspreise konstant bleiben, führt das zu Preisaufschlägen von 10 (Tampax) bzw. 6 Prozent (Pampers).
Auch hier argumentieren Hersteller und Grossverteiler mit einer verbesserten Qualität. Ob das zutrifft, lässt sich nur schwer beurteilen.
Generell sei es schwierig, Shrinkflation aufzuspüren, sagt Audrey Morris der NGO Foodwatch France: «Shrinkflation fällt praktisch nicht auf. Konsumentinnen und Konsumenten können nicht laufend Mengen und Packungsgrössen vergleichen. Und das nutzen die Hersteller aus».
Frankreichs Kampf gegen versteckte Preiserhöhungen
Der Kampf gegen die Shrinkflation ist in Frankreich auf der obersten politischen Ebene angelangt. Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire taxiert im französischen Fernsehsender «France Info» Shrinkflation als skandalösen Betrug: «Wir wollen nicht die Taschen der Industriegiganten füllen. Wir wollen sie verpflichten, versteckte Preiserhöhungen deutlich zu kommunizieren.» Frankreich macht sich ausserdem bei der EU-Kommission für eine europäische Regelung stark.
Keine Massnahmen in der Schweiz
In der Schweiz geschehe in dieser Sache nicht viel, sagt Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). «Die Produkte sind relativ gut kaschiert», beobachtet sie. «Wir sind auf Meldungen angewiesen.»
Man greife ein, wenn man sehe, dass Anbieter solche Tricks besonders stark anwendeten. Die Detailhändler seien mächtiger, als sie vorgäben. Sara Stalder sagt: «Sie sind grosse Einkaufsgemeinschaften, und sie könnten bessere Preise aushandeln. Es wäre auch überfällig, die Hochpreisinsel Schweiz zu bekämpfen.»