Kaninchen nagen zu zweit an Gitterkäfigen, springen allein in einem kleinen Metallkäfig hin und her. Die heimlich gemachten Aufnahmen, die «Kassensturz» vorliegen, decken den groben Umgang auf. Die Produktion von Antikörpern gilt als Tierversuch.
Geworfene Kaninchen
Auffallend ist der grobe Umgang von Mitarbeitenden in diesem deutschen Betrieb: Junge Kaninchen, die auf dem Hof untergebracht sind, werden richtiggehend in die Käfige geworfen, ein Kaninchen prallt ab und fällt auf den Boden. Mitarbeitende packen die Tiere an den Ohren, tragen sie so auch über mehrere Meter.
Ein verdeckter Ermittler der deutschen Tierschutzorganisation Soko hat in diesem Betrieb gearbeitet und die Zustände heimlich dokumentiert. Er erzählt: «Einmal warf ein Mitarbeiter die Kaninchen so in die Käfige», dass ein anderer kommentiert habe: «Wie Michael Jordan. Sie fanden das sehr lustig.»
Friedrich Mülln von Soko beobachtet die Tierversuchsbranche seit Jahren. Es sei völlig empathielos, wenn er sehe, «wie sie die da rumschleudern und reinquetschen.» Die Betriebsleiter weisen die Vorwürfe zurück.
Kaninchenblut für Antikörper
Die rund 3000 Kaninchen erhalten über Wochen regelmässig ein Serum, damit sie Antikörper produzieren. Rund alle vier Wochen werden die Kaninchen betäubt, entblutet und entsorgt – durchschnittlich 36'000 Kaninchen pro Jahr. Aus dem Blut werden Antikörper gewonnen. Ein begehrtes Produkt in Forschung, Diagnostik und Medizin, zum Beispiel gegen Krebs.
Geschätzt eine Million Tiere werden pro Jahr in der EU für die Produktion von Antikörpern verwendet. Das EU-Referenzlabor für Alternativen zu Tierversuchen ermahnte vor fünf Jahren, dass eine tierbasierte Herstellung in der EU nicht erlaubt sei, wenn tierfreie Methoden zur Verfügung stünden, und empfahl, Tiere nicht mehr für die Entwicklung und Herstellung von Antikörpern zu verwenden.
Tierfreie Antikörper teurer
An der Empfehlung hat auch Stefan Dübel mitgearbeitet. Er ist Professor für Biotechnologie an der technischen Universität Braunschweig und würde ein Verbot für tierbasierte Antikörper zwar nicht unterstützen, aber eine Reduktion der hohen Tieranzahl wäre für Forschung und Diagnostik möglich: «Wir wissen heute, dass wir die allermeisten Antikörper auch tierversuchsfrei herstellen könnten. Wie Antikörper hergestellt würden, sei deshalb hauptsächlich wirtschaftlicher Art. Ein Kaninchen zu immunisieren sei immer noch sehr viel billiger, als Antikörper tierfrei herzustellen.»
Die Antikörper aus diesem Betrieb haben zwei Hauptabnehmende aus der Gesundheitsbranche, die auch auf dem Schweizer Markt erhältlich sind.
Kritik an Haltungsvorschriften
Das zuständige Veterinäramt schreibt «Kassensturz», dass sie diesen Betrieb regelmässig und grundsätzlich unangemeldet kontrollieren würden: «Die rechtlichen Grundlagen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung beziehungsweise der Tierschutz-Versuchstierverordnung (...) werden erfüllt.» Die Bilder lägen ihnen nicht vor, aber der beschriebene Umgang mit den Tieren wäre nicht mit dem deutschen Tierschutzgesetz zu vereinbaren, so das Amt. Das Hochheben mit Nackengriff oder an den Ohren sei abzulehnen. Bisherige Kontrollen hätten in den letzten Jahren zu keinen Beanstandungen geführt.