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Umstrittene Schwimmtests Wenig Transparenz bei schwer belastenden Tierversuchen

Kassensturz erhält Dokumente schwer belastender Tierversuche fast komplett geschwärzt. Tierschützer kritisieren Nutzen.

Vor allem Mäuse müssen dran glauben: Sie werden im Dunkeln aufgezogen, am Kopf fixiert, oder es wird ihnen Wasser entzogen. Das zeigt ein Versuchsantrag, der «Kassensturz» vorliegt.

Während die Gesamtzahl der Versuchstiere im letzten Jahr auf rund eine halbe Million gesunken ist, ist die Anzahl im Schweregrad 3 um 990 auf über 27'000 angestiegen.

Im höchsten Schweregrad sind die Versuchstiere schweren Belastungen ausgesetzt, die bis zu langfristig schwere Schäden, Leiden oder Ängste auslösen können (siehe Box «Einteilung Schweregrade»). Der Zehnjahresvergleich im Schweregrad 3 zeigt, dass sich die Anzahl Versuchstiere mehr als verdoppelt hat.

Viele Versuche verlaufen im Sand

Eine Entwicklung, die Nicole Disler, Geschäftsleitungsmitglied beim Schweizer Tierschutz STS, kritisiert. Sie bezweifelt, dass alle schwer belastenden Versuche von Nutzen sind: «Ein ganz grosser Teil dieser Versuche verläuft im Sand. Vor diesem Hintergrund haben wir sehr grosse Zweifel, dass all diese Versuche wirklich nötig sind.»

Einteilung Schweregrade

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Die Tiere werden in Tierversuchen unterschiedlich behandelt und so auch eingeteilt:

Schweregrad 0: Keine Belastung für das Tier (z.B. Versuche mit verschiedener Einstreu)

Schweregrad 1: leichte Belastung für das Tier (z.B. zeitlich begrenzte Einzelhaltung)

Schweregrad 2: mittelfristige Belastung von Schmerzen, Leiden, Schäden oder Angst (z.B. Teilbestrahlung mit Ruhigstellen des Tieres mittels Fixationseinrichtung)

Schweregrad 3: schwere Belastung von bis zu langfristig schweren Schmerzen, schweres Leiden, schwere Schäden oder schwere Angst (z.B. Tumorbehandlungsmodelle mit Endpunkt Überleben)

Quelle: BLV Fachinformation Tierversuche / Schweregrade 1.04

Auch bei der ETH in Zürich hat die Anzahl Versuchstiere im Schweregrad 3 zugenommen: heute sind es fast fünfmal so viele wie vor zehn Jahren. Annette Oxenius ist Forschungs-Vizepräsidentin an der ETH und sieht die Gründe in der steigenden Anzahl Forschender in der Biomedizin, wie zum Beispiel in der Grundlagenforschung für die Krebsbekämpfung (siehe Gespräch unten).

Stark geschwärzte Dokumente

Praktisch alle Anträge werden gemäss dem Bundesamt für Veterinärwesen und Lebensmittelsicherheit von den kantonalen Tierversuchskommissionen bewilligt. Doch wozu benötigt es Versuche im höchsten Schweregrad?

Mit dem Verweis auf das Öffentlichkeitsgesetz verlangt «Kassensturz» Einsicht in fünf aktuellere Versuche mit schwer belasteten Tieren. «Kassensturz» erhält die Versuchsanträge auf den gewünschten Termin – teils fast bis zur Unkenntlichkeit geschwärzt.

Wo und von wem die Versuche durchgeführt wurden, ist nicht erkennbar. Das Bundesamt begründet die stärke Schwärzung mit: vertrauliche Informationen und zu wenig Zeit.

«Kassensturz» ist an Ihrer Meinung interessiert

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Diese Geheimhaltung ist für Gieri Bolliger, Geschäftsführer bei der Stiftung Tier im Recht, unverständlich. Für «Kassensturz» schaut er einen stark geschwärzten Versuchsantrag genauer an. Er könne entnehmen, dass es um sieben schwer belastete Affen gehe. Gieri Bolliger kritisiert «Wenn ich mich jetzt frage, was ist denn überhaupt das Ziel dieses Versuchs und, was sind die Belastungen dieser Tiere», dann würden diese Informationen fehlen. Eine Meinungsbildung sei so nicht möglich.

Umstrittener Schwimmtest

Etwas lesbarer ist ein Antrag für die Depressionsforschung, – mit einem sogenannten Forced Swim Test aus dem Jahr 2021, bei dem man Mäuse in einem Wassergefäss sechs Minuten schwimmen lässt. Nicole Disler vom Schweizer Tierschutz STS kritisiert den schwer belastenden Versuch: «Teilweise wird er zeitlich begrenzt, aber das ändert nichts daran, dass das Tier nicht sieht, dass es einen Ausweg gibt und dass es irgendwann vorbei ist.»

Es gebe auch sehr viele Universitäten, die den Versuch wegen des umstrittenen Erkenntnisgewinns nicht mehr machen würden. An Schweizer Hochschulen wie zum Beispiel an der ETH wird er noch durchgeführt. Annette Oxenius rechtfertigt den Versuch: Er helfe zu verstehen, wie Menschen mit Stress umgehen.

Espresso, 23.09.25, 8:10 Uhr

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