Am 15. Juli hat die Zuger Polizei Karin und Jürgen Käfer verhaftet. Seither sitzt das Paar in unbefristeter Untersuchungshaft. Offizieller Straftatbestand gemäss Zuger Polizei: «Gewerbsmässiger Betrug sowie allenfalls ungetreue Geschäftsbesorgung mit Bereicherungsabsicht.» Über die Schadensumme und den genauen Grund der Verhaftung will die Polizei vorläufig nichts sagen. «Kassensturz» aber weiss: Es handelt sich um Käfers Schwindelfirma Max Entertainment. Der Schaden dürfte sich auf einen zweistelligen Millionenbetrag mit mehreren hundert Geschädigten belaufen.
Längst fälliger Schritt
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Was auf den ersten Blick nach einer Erfolgsmeldung klingt, ist genau betrachtet eine überfällige Reaktion der Zuger Behörden. Denn das Ehepaar Käfer erschwindelte in der Schweiz seit den 90er-Jahren Millionen von Franken. Der «Kassensturz»-Journalist, der den Käfers seit Jahren auf der Spur ist und auch für «Dok» darüber berichtete, hatte 1992 erstmals Kontakt mit Jürgen Käfer. Damals bot dieser psychologisch angehauchte Wohlfühl-Seminare an und erschwindelte Geld mit illegalen Schneeballsystemen. Eine zwielichtige Firma nach der andern ging auf und wieder zu. Hunderte Opfer verloren jeweils Geld. Verurteilt wurde Käfer deshalb aber nie. Am meisten abkassiert hat Jürgen Käfer mit der Max Entertainment Group. Die Firma hätte 2006 die Kampfsportart Mixed Martial Arts zuerst in der Schweiz und in Deutschland einführen sollen. Dazu gehörten Wettbüros an Grossveranstaltungen. Parallel sollten Sportartikelverkauf und Merchandising die Firmenkasse füllen. Dank inszenierten Shows im Fernsehen und teurer Werbung überzeugte Käfer potentielle Geldgeber, mit Aktien in das Startup-Unternehmen einzusteigen. Telefonverkäufer köderten Investoren mit einem geplanten Börsengang, belogen sie dabei aber aufs Gröbste.
Staatsanwaltschaft gab Käfer grünes Licht
Der Verkauf der Aktien brachte 40 bis 50 Millionen Franken ein. Doch der grösste Teil der Gelder versickerte. Hunderte betrogene Aktionäre erlitten Totalverlust. Wegen Max Entertainment hat die Justizbehörde Zug vier Jahre lang ermittelt. Doch eine Staatsanwältin stellte das Verfahren 2011 ein. Ihre damalige Begründung: Für eine Anklage wegen Betrugs hätten die Erkenntnisse nicht gereicht, «… da sich das Verhalten der Beschuldigten aus meiner Sicht nicht unter den Tatbestand des Betruges subsumieren lässt.» Und: «Täuschungshandlungen konnten mithin nicht nachgewiesen werden.» Damit erteilte die Staatsanwältin Jürgen Käfer faktisch die Absolution, dass er mit seinen Geschäften das Schweizer Recht nicht tangiert. Der DOK-Film über die Käfers benannte den Einstellungs-Beschluss der Staatsanwältin als «Fehleinschätzung.»
Neuer Staatsanwalt sieht den Fall anders
Ähnlicher Meinung war Monate später anscheinend auch das Obergericht des Kantons Zug. Es gab einem Käfer-Geschädigten Recht, der gegen die Verfahrenseinstellung der Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt hatte. Folge: Das Gericht hob die Verfahrenseinstellung auf, die Staatsanwaltschaft musste den Fall wieder aufrollen. Ein neuer Staatsanwalt beurteilt Käfers Machenschaften nun anscheinend anders als die Vorgängerin und liess das zweifelhafte Paar Mitte Juli verhaften.
Für Käfer-Geschädigte ist es unverständlich, weshalb dies so lange dauerte. Vor allem in Deutschland stösst die Zuger Behörde auf Unverständnis. Ein Geschäftsführer eines Regensburger Motorradhauses hatte 150‘000 Euro in Max Entertainment investiert. «Ich habe immer darauf gehofft, dass mich jemand von der Behörde Zug vorlädt», so der Betroffene. Denn er konnte alles belegen, was seinen Fall betraf und war für die Aussage bereit. Doch die Einladung zur Einvernahme kam nie, dafür ein Brief, in dem man ihm mitteilte, Käfer wäre der Betrug schlecht nachzuweisen. So konnten die Käfers weiterhin Leute über den Tisch ziehen. Aktuell sind Karin und Jürgen Käfers jüngere Geschäfte mit der Schwindel-Firma Sensei Energy bekannt. «Kassensturz» wies Käfer zudem letztes Jahr nach, dass er – wie zu Beginn seiner Schwindel-Karriere – wieder Seminare für ein erfolgreicheres Leben anbot. Am Telefon versicherte Jürgen Käfer damals, es sei eine saubere Sache.
Sonderfall Schweiz: Die Arglist-Hürde
Jürgen Käfer profitiert bei seinen Geschäften von einer Eigenart im schweizerischen Strafrecht. Einerseits muss dem Täter Arglist nachgewiesen werden. Das heisst: Der Kläger muss aufzeigen, dass der Täter den allfälligen Betrug perfide und durchtrieben geplant hat. Andererseits hängt Betrug von der Opfermitverantwortung ab: Wer allzu unkritisch war, ist selber schuld. Daniel Jositsch, Professor für Strafrecht Universität Zürich und SP-Nationalrat, wollte diese opferfeindliche Regelung abschaffen, scheiterte letztes Jahr aber im Parlament. In Deutschland wird beim Tatbestand Betrug die Arglisthürde nicht verlangt. Wenn eine Täuschung vorliegt, ist dort der Tatbestand erfüllt.