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Lipödem: «Meine Beine wurden immer dicker»
Aus Espresso vom 30.08.2018. Bild: SRF
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Schmerzhaftes Lipödem Krankenkassen knausern bei der Behandlung

Etwa jede 20. Frau leidet an einem Lipödem. Doch die notwendige Operation übernimmt die Krankenkasse oft nicht.

Alles begann in der Pubertät, erzählt die heute 37-jährige «Espresso»-Hörerin: «Ich war immer schlank und sportlich. Plötzlich wurden meine Oberschenkel immer stämmiger.» Sie fing an Diät zu halten und noch mehr Sport zu treiben. Doch die stämmigen Oberschenkel blieben und wurden sogar noch dicker. «Ich hatte sehr grosse Selbstzweifel und suchte den Fehler bei mir. Mit der Zeit kamen auch noch Schmerzen dazu.»

Eine ähnliche Geschichte erzählt eine weitere Hörerin. Auch bei ihr begann es in der Pubertät: «Meine Beine wurden im Vergleich zum schlanken Oberkörper immer breiter. Das hat mich extrem verunsichert.» Auch sie begann weniger zu essen und entwickelte vorübergehend sogar eine Essstörung. Doch es half nichts, die Beine blieben dick. Auch sie ging erst zum Spezialisten, als sie starke Schmerzen in den Beinen bekam.

3 Stadien
Legende: Stadium 1: Haut glatt, Unterhautfettgewebe verdickt und weich ohne Knoten. Stadium 2: Haut uneben Unterhaut verdickt mit kleinen Knoten. Stadium 3: Haut sehr uneben, Unterhaut verdickt und verhärtet, grosse Fettwülste unter der Haut. u.U. Gehen behindert.. lipoedem-schweiz.ch

Lipödem wird oft nicht erkannt

Dass die Krankheit Lipödem oft mit Übergewicht verwechselt wird, stellt auch die Dermatologin Birgit Wörle immer wieder fest. Wörle ist Spezialistin für Lipödem und arbeitet am Lipödem Zentrum Zentralschweiz in Meggen LU. «Viele Hausärzte kennen das Lipödem nicht und raten ihren Patienten zu gesunder Ernährung und Sport. Doch dies löst das Problem nicht», so Wörle, die sich seit 15 Jahren mit Lipödem befasst.

Ein Lipödem trete meist in Phasen hormoneller Veränderungen auf. Also in der Pubertät, in der Schwangerschaft oder den Wechseljahren. «Es sind praktisch nur Frauen betroffen und ein Lipödem ist nicht heilbar. Unbehandelt werden die Beine und Arme immer dicker», so Wörle. Weil sich die Fettzellen unter der Haut mit Flüssigkeit vollsaugen, haben die Betroffenen starke Schmerzen.

Krankenkassen bezahlen Operation nur in wenigen Fällen

Es gebe mehrere Therapiemöglichkeiten, so die Lipödem-Spezialistin Wörle. Einerseits die konservative Therapie mit Stützstrümpfen und Lymphdrainagen. Wenn dies nichts helfe, bleibe nur die Liposuktion. «Bei dieser Operation werden etwa Dreiviertel der Fettzellen abgesaugt. So können sie sich nicht mehr mit Flüssigkeit vollsaugen und die Schmerzen verschwinden.»

Das Problem allerdings, in vielen Fällen übernehmen die Krankenkassen die Operation nicht. Begründung: Die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Methode sei nicht hinreichend belegt.

Matthias Müller, Mediensprecher von Santésuisse sagt, dass die Vertrauensärzte der Krankenkassen jeden Einzelfall abklären würden: «Beim Lipödem gibt es verschiedene Stadien. Darum klären die Vertrauensärzte genau ab, ob eine Operation sinnvoll ist oder nicht.» Zuerst müsse auch die konservative Therapie mit Stützstrümpfen und Lymphdrainagen über einen längeren Zeitraum angewendet werden.

Operation selber bezahlen

Für die Betroffenen ist diese Situation unbefriedigend. Ihnen bleibt nichts anders übrig, als die Operation selber zu bezahlen. Rund 10’000 Franken kostet der Eingriff. Meist sind zwei bis drei Operationen nötig. «Zum Glück habe ich liebe Eltern, welche mir das Geld für die Operationen geliehen haben», sagt eine Betroffene. «Dieses Jahr konnte ich zum ersten Mal den Sommer so richtig geniessen. Die Schmerzen sind praktisch weg. Ich war sogar in der Badi.»

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