«Wir wissen, dass unsere Meinung nicht dem Trend entspricht. Aber damit leben wir», sagt Toni Bortoluzzi (71). Der Mann sass ein Vierteljahrhundert für die Zürcher SVP im Nationalrat. Er profilierte sich als Gesundheitspolitiker und legte sich dabei auch mit seinen eigenen Parteivorderen an. Mit diesen verscherzte er es sich vor den Parlamentswahlen 2013 mit abschätzigen Bemerkungen gegen Homosexuelle und junge SVP-Frauen.
Seit jeher trat der kantige, gelernte Schreiner aus dem Zürcher Säuliamt für das traditionelle Familienmodell ein, «wo das Kind von den Eltern erzogen wird». Bortoluzzi sass auch im Initiativkomitee der Schutzinitiative, die sich den Kampf gegen einen Sexualkundeunterricht in Kindergärten und Primarklassen auf die Fahne schrieb. Die Initiative wurde 2015 überraschend zurückgezogen und stattdessen ein Verein daraus gegründet, dessen Präsident Bortoluzzi ist.
«Kitas sind kein Gewinn»
In Bortoluzzis Brief und der beigelegten Broschüre des Spendenaufrufs an Gönner, Sympathisanten, aber auch an beliebige Adressaten strotzt es von Kita-kritischen Spitzen. Wahlweise wird aus einer Studie der Universität Bologna und anderen Denkpapieren zitiert: «Kinderkrippen reduzieren den IQ des Kindes.» Oder: «Die Risikofaktoren ausserfamiliärer Betreuung äussern sich besonders in sozialen Defiziten wie Aggression, ADHS, Lügen und Stehlen, Angst und Depression.»
Kita-Verband: «Das ist jenseits von Gut und Böse»
Nadine Hoch ist Geschäftsleiterin des Kintertagesstätten-Verbandes Kibesuisse. Das Schreiben der Kita-Kritiker bezeichnet sie als sehr verwirrend und jenseits von Gut und Böse: «Die Realität ist, dass viele Frauen und Männer arbeiten müssen. Für sie sind solche Aussagen ein Affront. Herr Bortoluzzi möchte halt einfach die Frauen zurück an den Herd zu binden.»
Auch sie könne bei Bedarf wahllos auf Studien und wissenschaftliche Arbeiten zurückgreifen, die Kindertagesstätten als wertvoll beschreiben. Studien aus dem Ausland seien ohnehin nur schwer auf die Schweiz übertragbar, weil die Aufenthaltsdauer von Kindern in Tagesstrukturen bedeutend kürzer sei. Wenn schon müsste man darüber diskutieren, findet Nadine Hoch: «Das Handicap in der Schweiz besteht im Mangel an Elternzeit. Niemand hat so wenig wie die Schweiz.»