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«Muotathaler» Wurst aus Neuseeland
Aus Espresso vom 25.10.2018. Bild: zvg
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Konsum «Muotathaler» Wurst aus Neuseeland

Der Hirschschüblig wird als regionale Spezialität verkauft. Ein Verstoss gegen die Swissness-Vorgaben?

«Also das hat nicht sehr viel mit dem Muotathal zu tun», meint Paul Hug. Der Baselbieter hat kürzlich auf der Rückreise von Italien auf der Autobahnraststätte Erstfeld einen Hirschschüblig gekauft. Laut Verpackung eine «Muotathaler Fleischspezialität».

Als der Kunde die Wurst zu Hause nochmals genauer anschaute, stellt er jedoch fest, dass das Hirschfleisch gar nicht aus der Schweiz, sondern aus Neuseeland stammt. Nun fragt er sich, ob die Deklaration als regionales Produkt überhaupt rechtmässig ist.

«Viel zu wenig Schweizer Wild»

Laut Inhaltsangabe besteht der Hirschschüblig zu 63 Prozent aus neuseeländischem Hirschfleisch. Der Rest ist, nebst Gewürzen und Zusatzstoffen, Speck aus der Zentralschweiz. Hersteller Markus Heinzer, Geschäftsinhaber der Heinzer Metzgerei in Muotathal, sagt zum SRF-Konsumentenmagazin «Espresso», die Bezeichnung «Muotathaler Fleischspezialitäten» sei als Begriff fest mit dem Namen Heinzer Metzgerei verbunden. «Und wir verarbeiten alles bei uns im hauseigenen Betrieb.»

Zur Frage, weshalb die Wurst zum grössten Teil aus neuseeländischem Hirschfleisch gemacht ist, sagt der Fleischfachmann: «Wir erhalten einerseits viel zu wenig Schweizer Wildfleisch und andererseits müssen die Wildprodukte zum Start der Jagdsaison bereits im Regal sein, weil die Kundinnen und Kunden spätestens dann danach fragen.» Grundsätzlich würde er auch lieber ausschliesslich mit Schweizer Wildfleisch arbeiten. Das sei aber aufgrund der hohen Nachfrage schlicht nicht möglich.

Auch Regionales kann aus dem Ausland kommen

Schweizerische Herkunftsangaben sind seit 2017 geregelt – in der Verordnung über die Verwendung von schweizerischen Herkunftsangaben für Lebensmittel (HasLV). Gemäss dieser müssen bei einem Lebensmittel mit schweizerischer Herkunftsangabe mindestens 80 Prozent des Gewichts der verwendeten Rohstoffe aus ebendieser Region kommen. Bei Milch und Milchprodukten muss sogar die gesamte Milch von dem Ort stammen.

Ausnahmen gibt es für Naturprodukte, die wegen natürlicher Gegebenheiten nicht in der entsprechenden Region produziert werden können. Wird beispielsweise ein Rohstoff verwendet, der in der Schweiz gar nicht verfügbar ist, so muss dieser bei der Berechnung nicht mit einbezogen werden. So könnte theoretisch auch ein «Fricktaler Kokosöl» die Swissness-Vorgaben erfüllen. Rohstoffe, bei denen die Schweiz einen Selbstversorgungsgrad von 20 bis 50 Prozent hat, muss immerhin noch die Hälfte dieses Rohstoffs aus der entsprechenden Region stammen.

Die Verordnung gibt weiter vor, dass die Herkunftsangabe dem Ort entsprechen muss, an dem ein Lebensmittel seine wesentlichen Eigenschaften erhält: Ein «Berner» Brot, das in Bern lediglich in Scheiben geschnitten wird, würde demnach die Vorgaben nicht erfüllen.

Hirschschüblig ist ein Grenzfall

Für die beanstandete Wurst aus dem Muotathal ergibt sich damit, dass die Swissness-Vorgaben nicht erfüllt sind, wie das zuständige Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) auf Anfrage von «Espresso» feststellt. Ein Teil des verwendeten Hirschfleisches dürfte zwar tatsächlich aus dem Ausland stammen, da die Schweiz beim Wild nur zu knapp einem Drittel Selbstversorgerin ist. Weil hier aber sämtliches Hirschfleisch aus Neuseeland stammt, sind die Swissness-Anforderungen nicht erfüllt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der ebenfalls enthaltene Speck aus der Zentralschweiz stammt.

Und dennoch sprechen sowohl das BLW wie auch das Institut für geistiges Eigentum gegenüber «Espresso» von einem Grenzfall: Denn es spiele nicht nur die Zusammensetzung eine Rolle, sondern es komme auch darauf an, wie ein Produkt gekennzeichnet sei. Der Hirschschüblig ist zwar als «Muotathaler Fleischspezialität» angeschrieben. Dieser Hinweis kann jedoch auch als Teil des Logos der Metzgerei verstanden werden. Die Produktbezeichnung «Hirschschüblig» steht separat und in anderer Schrift auf der Verpackung.

Insofern müsste hier letztendlich ein Gericht entscheiden, ob es sich um einen Verstoss gegen die Swissness-Anordnungen handelt.

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