Wer dieser Tage vor den Fleischregalen der Detailhändler steht, wird kaum ein Regal finden, in dem nicht auch ein «knochengereiftes» Stück Fleisch steht. In grösseren Supermärkten finden sich sogar gigantische Kühlschränke, in denen die riesigen Fleischstücke auf Abnehmer warten. Dabei wird betont, wie besonders zart und saftig dieses Fleisch sein soll.
Das Klima ist entscheidend
«Im Gegensatz zu herkömmlichem Fleisch werden diese Stücke nicht gleich nach dem Schlachten ausgebeint», sagt Sascha Fliri vom Ausbildungszentrum für die Schweizer Fleischwirtschaft (ABZ). «Man lagert sie am Stück über drei, vier, fünf Wochen oder länger in Kühlräumen.» Dabei sei das Klima in diesen Kühlräumen entscheidend: «Ein bis zwei Grad, wenig Luftzirkulation und nicht zu trocken.»
Das Klima ist deshalb entscheidend, weil es einen wesentlichen Einfluss auf den Flüssigkeitsverlust hat. Denn zunächst verdunstet im Fleisch enthaltenes Wasser. Das Fleisch verliert also an Gewicht. Hinzu komme, dass die äusserste Fleischschicht zum Teil gar nicht mehr verwendet werden könne. Wenn Fleisch fünf oder sechs Wochen gelagert worden sei, müsse man ein bis zwei Zentimeter der äussersten Schicht wegschneiden.
«Reifung ist Vorstufe der Zersetzung»
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Doch was passiert eigentlich, während das Fleisch zum Beispiel am Fleischerhaken im Kühlraum hängt? «Nach der Schlachtung bilden sich Milchsäure-Bakterien im Fleisch. Diese ‹knabbern› an den Fleischfasern und sorgen dafür, dass das Fleisch zart wird.» Mit anderen Worten: Der Verwesungsprozess fängt an. «Die Reifung ist die Vorstufe der Zersetzung. Allerdings lässt man die Zersetzung nur bis zu einem gewissen Grad fortschreiten.»
Früher habe man Fleisch grundsätzlich auf diese Weise gelagert. «Als es noch keine Vakuumverpackungen gab, wurden immer nur jene Stücke vom Knochen gelöst, die man wirklich benötigte», sagt Fleischfach-Ausbilder Fliri. Nun lebe dieses alte Handwerk wieder auf in der Schweiz.
Etwas weniger Arbeit für Fleischfachleute
Es steckt natürlich auch Marketing hinter dem aktuellen Trend: Spezielle Produkte sorgen für Kundschaft. Es sei aber nicht so, dass mit knochengereiftem Fleisch mehr Gewinn gemacht werde, betont Sascha Fliri. Der höhere Preis ergebe sich durch den erwähnten Verlust.
Insgesamt komme die wachsende Nachfrage nach knochengereiftem Fleisch den Fleischfachleuten entgegen: «Wir müssen etwas weniger Fleisch ausbeinen.»