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Anfahrtspauschale Handwerker um die Ecke: «Müssen wir für die Anfahrt bezahlen?»

Ein Handwerker verlangt eine Anfahrtspauschale von 65 Franken. Dabei nimmt der Weg keine fünf Minuten in Anspruch.

Die Rechtslage kurz erklärt :

Handwerksbetriebe dürfen ihren Kundinnen und Kunden die Zeit für die Anreise verrechnen. Gesetzlich nicht geregelt ist die Frage, zu welchem Preis die Anreise verrechnet werden darf. 

Viele Unternehmen verrechnen Pauschalen 

In der Praxis handhaben nicht alle Unternehmen diese Frage gleich. Je nach Branche verrechnen Betriebe den vollen Stundenansatz, also den gleichen Preis wie für die Arbeit oder einen reduzierten Tarif, zum Beispiel die Hälfte des Stundenansatzes. In einzelnen Branchen werden den Kundinnen und Kunden sogenannte Anfahrtspauschalen verrechnet. 

In der Fenster- und Fassadenbranche beispielsweise wird üblicherweise die Fahrzeit als Arbeitszeit und ein Zuschlag für den Servicewagen verrechnet. 

Die Empfehlungen der Branchenverbände sind aber nicht zwingend, die Betriebe dürfen eigene Entschädigungen festsetzen. Allerdings ist ein Betrieb verpflichtet, die Kundschaft bei der Annahme eines Auftrages auf diese Kosten hinzuweisen. 

Im Beispiel einer «Espresso»-Hörerin ist das nicht passiert. Die Frau beauftragte einen Handwerker telefonisch, ihren defekten Storen zu reparieren. Über anfallende Kosten für die Anfahrt sei sie nicht informiert worden. Erst auf der Rechnung habe sie entdeckt, dass der Betrieb ihr eine Anfahrtspauschale von 65 Franken verrechnet hatte. Besonders stossend in diesem Beispiel: Die Werkstatt befindet sich gleich um die Ecke. Die Anfahrt dauert keine fünf Minuten. 

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Rechtsexpertinnen Raphaela Reichlin und Gabriela Baumgartner
Legende: Gabriela Baumgartner und Raphaela Reichlin Quelle: SRF Oscar Alessio / Roberto Crevatin

Die Rechtsexpertinnen Gabriela Baumgartner und Raphaela Reichlin beantworten jeden Donnerstag im «Espresso» eine Rechtsfrage. Hier geht es zu den bisherigen Antworten .

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Wegkosten sind verhandelbar

In diesem Beispiel lohnt es sich, beim Handwerker zu intervenieren und einen Kompromiss anzubieten. Denn: Erstens hätte der Handwerker die Kundin auf die anfallenden Kosten hinweisen müssen und zweitens könnte es missbräuchlich sein, bei einem solch kurzen Weg eine volle Anfahrtspauschale zu verrechnen.

Wer sich in solchen Fällen vor bösen Überraschungen schützen möchte, sollte bei der Auftragserteilung an Handwerksbetriebe nachfragen, wie hoch der Stundenansatz ist und welche zusätzlichen Kosten anfallen. Wichtig auch: Stundenansätze und Anfahrtspauschalen sind nicht in Stein gemeisselt. Sie sind verhandelbar. 

Espresso, 01.06.23, 08:13 Uhr

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