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Künftig gibt es mehr Freiheit beim Entscheiden, wem das Vermögen vererbt wird
Aus Espresso vom 07.11.2022. Bild: Imago, Steinach
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Erbrechts-Revision «Muss ich nun mein Testament ändern?»

Künftig haben wir beim letzten Willen mehr Freiheit, wem wir unser Vermögen vererben wollen.

Die Rechtslage kurz erklärt:

Das Schweizer Erbrecht ist aus der Zeit gefallen. Die Bestimmungen im Zivilgesetzbuch sind über hundert Jahre alt und auf traditionelle Familienmodelle ausgerichtet. Am 1. Januar 2023 treten im Rahmen einer Revision den heutigen Lebensmodellen angepasste Bestimmungen in Kraft. Hier das Wichtigste in Kürze:

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    • Kleinere Pflichtteile: Neu beträgt der Pflichtteil von Kindern die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Bisher waren es drei Viertel. Der Pflichtteil für Eltern fällt weg, für überlebende Ehepartner und eingetragene Partnerschaften bleibt er gleich. Durch diese Neuerung können wir – wenn wir gesetzliche Erben auf ihren Pflichtteil setzen – über einen grösseren Teil unseres Vermögens frei verfügen.

Stichwort Pflichtteil

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Das Zivilgesetzbuch unterscheidet zwischen Personen mit einem gesetzlichen Erbanspruch und den so genannten pflichtteilsgeschützten Erben. Der Pflichtteil beträgt einen Bruchteil des gesetzlichen Erbanspruchs. Ein Beispiel: Ein Ehemann verstirbt und hinterlässt seine Frau und zwei Kinder. Alle drei sind gesetzliche und pflichtteilsgeschützte Erben. Die Frau hat einen gesetzlichen Erbanspruch auf die Hälfte der Erbschaft, die Kinder auf je einen Viertel. Setzt nun der Mann seine Kinder auf den Pflichtteil, so erben sie weniger, nämlich nur noch drei Viertel des gesetzlichen Anspruchs. Über den Rest kann der Mann frei verfügen. Anspruch auf einen Pflichtteil haben überlebende Ehepartner, eingetragene Partner, Nachkommen und Eltern. Ab Januar beträgt der Pflichtteil von Nachkommen nur noch die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruches, der Pflichtteil von Eltern entfällt.

    • Pflichtteile bei Scheidung: Ab dem 1. Januar haben Ehepartnerinnen und Ehepartner, die in Scheidung leben, zwar noch einen gesetzlichen Erbanspruch, sind aber nicht mehr pflichtteilsgeschützt. Im Testament können abweichende Regelungen verfügt werden. Damit eine solche Verfügung gültig ist, muss sie aber nach Einreichung der Scheidung verfasst werden.
    • Grössere Quote bei Nutzniessung: Nach geltendem Recht besteht die Möglichkeit, dem überlebenden Ehepartner die Nutzniessung am gesetzlichen Erbanteil der gemeinsamen Kinder zuzuweisen. Der überlebende Ehepartner erhält ein Viertel des Nachlasses zu Eigentum und den Erbteil der Kinder (drei Viertel) zur Nutzniessung. Ehepaare können sich also künftig mit der Hälfte des Nachlasses als Eigentum und der Hälfte zur Nutzniessung begünstigen. Die Nutzniessung steht künftig auch eingetragenen Partnerschaften zu.

Stichwort Nutzniessung

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Neben Vermögenswerten kann auch ein Recht auf eine so genannte Nutzniessung vererbt werden. Ein Beispiel: Ein Mann hinterlässt Ehefrau und zwei Kinder. Er kann im Testament verfügen, dass die Frau ihren gesetzlichen Erbanspruch als Eigentum bekommen soll sowie die Nutzniessung am gesetzlichen Erbanspruch der Kinder. Das bedeutet, sie darf beispielsweise die Liegenschaft weiter bewohnen und Vermögenserträge für ihren Lebensunterhalt verwenden. Die Kinder können ihr Erbe dann erst nach dem Versterben der Mutter antreten. Eine Nutzniessung soll zum Beispiel verhindern, dass die Frau nach dem Tod ihres Mannes die Liegenschaft verkaufen muss, um den Kindern ihren Erbteil auszahlen zu können. Wichtig: Ehepartner können sich in dieser Form nur dann eine Nutzniessung vererben, wenn sie gemeinsame Kinder haben.

    • Auswirkungen auf die Säule 3a: Ob ein Guthaben auf einem 3a-Konto zur Erbmasse gehört, war bisher umstritten. Die revidierten Bestimmungen machen klar: Diese Guthaben gehören nicht zur Erbmasse, dürfen den Begünstigten also ausbezahlt werden. Mit einer Einschränkung: Hat die Verstorbene neben diesen Konten keine weiteren Vermögenswerte, können pflichtteilsgeschützte Erben einen Ausgleich verlangen. Wer solche Säule 3a-Guthaben besitzt und pflichtteilsgeschützte Erben hat, sollte sich beraten lassen.

Espresso, 07.11.22, 08.13 Uhr

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