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Strikte Schweigepflicht – auch gegenüber der Familie
Aus Espresso vom 08.12.2022. Bild: Imago Images
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Krankengeschichte «Warum dürfen wir die Krankengeschichte nicht lesen?»

Nach dem unerwarteten Tod ihres Mannes möchten die Ehefrau und ihre Kinder dessen Krankengeschichte lesen. Doch der Arzt des Vaters will sie nicht herausgeben. Er beruft sich auf die Schweigepflicht. «Espresso» sagt, wie sich solche Konflikte vermeiden lassen.

Die Rechtslage kurz erklärt:

  • Ärztinnen, Ärzte, Pfleger, Therapeutinnen, Sanitäter und Hebammen sind an die Schweigepflicht gebunden.
  • Geregelt ist die Schweigepflicht im Strafgesetzbuch und in kantonalen Gesetzen. Verletzt eine Ärztin ihre Schweigepflicht, macht sie sich strafbar und muss darüber hinaus mit standesrechtlichen Konsequenzen rechnen.

Schweigepflicht im Strafgesetzbuch

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Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patent­anwälte, nach Obligationenrecht zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Optometristen, Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheits­strafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.  Ebenso werden Studierende bestraft, die ein Geheimnis offen­baren, das sie im Rahmen ihres Studiums erfahren haben.

Die Verletzung des Berufsgeheimnisses ist auch nach Beendi­gung der Berufsausübung oder der Studien strafbar.

Der Täter ist nicht strafbar, wenn er das Geheimnis auf Grund einer Einwilligung des Berechtigten oder einer auf Gesuch des Täters erteilten schriftlichen Bewilligung der vorgesetzten Behörde oder Auf­sichtsbehörde offenbart hat.

Artikel 321 Strafgesetzbuch

  • Die Schweigepflicht gilt auch gegenüber nahen Angehörigen, und sie gilt über den Tod eines Patienten hinaus: Ohne ausdrückliche Einwilligung dürfen Ärztinnen und Ärzte also keine Auskunft über den Gesundheitszustand einer Patientin geben.
  • Ärztinnen sind von ihrer Schweigepflicht befreit, wenn sie von ihrem Patienten oder von der kantonalen Gesundheitsbehörde ausdrücklich davon entbunden worden sind.

Alle Rechtsfragen

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Rechtsexpertinnen Raphaela Reichlin und Gabriela Baumgartner
Legende: Gabriela Baumgartner und Raphaela Reichlin Quelle: SRF Oscar Alessio / Roberto Crevatin

Die Rechtsexpertinnen Gabriela Baumgartner und Raphaela Reichlin beantworten jeden Donnerstag im «Espresso» eine Rechtsfrage. Hier geht es zu den bisherigen Antworten.

Falls auch Sie eine Frage haben, schreiben Sie uns.

  • Eine Ausnahme gilt, wenn eine Patientin im Spital liegt und nicht ansprechbar ist. In diesem Fall dürfen nach dem neuen Erwachsenenschutzrecht nahe Angehörige über den Gesundheitszustand informiert werden und diese Angehörigen müssen zusammen mit den Ärztinnen über die weiteren Behandlungen entscheiden. Welche Personen als nahe Angehörige gelten, lesen Sie hier:

Wer entscheidet, wenn ich mich nicht äussern kann?

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In Notfällen sind folgende Personen in der aufgeführten Reihenfolge berechtigt, urteilsfähige Personen bei medizinischen Massnahmen zu vertreten, respektive ber Behandlungen zu entscheiden:

  • In einem Vorsorgeauftrag oder in einer Patientenverfügung genannte Personen (Vertrauenspersonen)
  • Beiständinnen oder Beistände der urteilsunfähigen Person sofern die Beistandschaft medizinische Entscheidungen umfasst)
  • Ehepartner und eingetragene Partnerinnen
  • Konkubinats-Partnerinnen und -Partner
  • Kinder
  • Eltern
  • Geschwister 

Artikel 377 und 378 Schweizerisches Zivilgesetzbuch

Um Konflikte unter Angehörigen zu vermeiden, ist es ratsam, in einer Patientenverfügung eine Vertrauensperson zu bestimmen, gegenüber der Ärztinnen und Ärzte Auskunft geben dürfen, und die in einem Notfall über Behandlungen mitentscheiden soll.

Wichtig: Patientenverfügungen und Vollmachten gelten nur bis zum Tod. Wer also möchte, dass seine Angehörigen über den Tod hinaus Auskunft von Ärztinnen oder Spitälern bekommen soll, sollte dies explizit in seiner Patientenverfügung oder in seiner Vollmacht vermerken.

Espresso, 08.12.22, 08:13 Uhr

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