Annelies Rheinberger legte sich nach dem Krafttraining im Fitnessstudio auf ihre Matte und dehnte ihre Muskeln. Ihre Brille hatte die 71-jährige Rentnerin neben ihrem Kopf auf die Matte gelegt.
Wenige Augenblicke später: Ein Knacken, die Brille ist entzwei. Ein etwa 5-jähriger Knabe war durch das Studio gerannt, nur knapp am Kopf von Annelies Rheinberger vorbei. Die Brille ist nicht mehr zu reparieren, eine neu kostet 1700 Franken. Ein klarer Fall: Die Eltern des Kindes müssen für den Schaden aufkommen. «Espresso» hat über den Fall berichtet (Beitrag «Brille kaputt: Darf ein Kind ins Fitnesstudio?»).
Die Versicherung lehnt den Schadenfall mit einem 0815-Brief ab
Auf Druck von Annelies Rheinberger melden die Eltern den Schaden ihrer Haftpflichtversicherung an, der Helvetia Versicherung. Doch Wochen später bekommt Annelies Rheinberger überraschend eine Absage. Sie hätte die Brille nicht auf den Boden legen dürfen, heisst es im Schreiben, deshalb würde der Schaden nicht übernommen.
Annelies Rheinberger ist wütend. «Es ist nicht nur die Absage selber. Was mich ärgert ist die schnoddrige Art, wie die mich die Versicherung behandelt.»
Tatsächlich: Das Couvert, in dem der Brief an Annelies Rheinberger verschickt wurde, ist von Hand beschriftet, der Brief selber ist voller Fehler. Vor allem: Die Begründung der Ablehnung ist falsch. Wenn Eltern ihre Kinder nicht beaufsichtigen, haften sie für einen Schaden.
Der Mitarbeiter hätte die Umstände besser abklären müssen
Informationen und Anlaufstelle
Auf Nachfrage von «Espresso» gibt der Mediensprecher der Helvetia Versicherung, Hansjörg Ryser Fehler zu. Der Mitarbeiter der Schadenabteilung habe es unterlassen, sich bei Frau Rheinberger über den konkreten Unfallhergang zu informieren, schreibt die Helvetia.
«Bei der anschliessenden Schadensregulierung verliess sich unser Mitarbeiter auf die Aussagen unserer Versicherungsnehmerin. Der Umstand mit der Brille auf der Matte neben dem Kopf war uns deswegen nicht bekannt.»
Inzwischen hat die Helvetia Versicherung den Fall neu beurteilt und wird die Kosten für die Brille übernehmen. Annelies Rheinberger freut sich. Mit diesem Ausgang hatte sie schon nicht mehr gerechnet.
Hartnäckigkeit kann sich auszahlen
Das Beispiel zeigt: Nicht immer stimmen Begründungen, wenn eine Versicherung einen Schaden ablehnt. Nachfragen lohnt sich also immer. Vor allem, wenn eine Versicherung die Deckung mit Standardformulierungen oder juristischem Kauderwelsch ablehnt. So gehen Sie vor:
- Wer Zweifel hat, ob eine Ablehnung rechtens ist, soll seine Versicherung auf diese Zweifel ansprechen und noch einmal eine detaillierte, nachvollziehbare und vor allem schriftliche Begründung verlangen.
- Bestehen die Zweifel noch immer, das Schreiben von einer Rechtsberatung oder vom Versicherungsombudsman prüfen lassen. Diese neutrale Ombudsstelle (Adresse siehe Linkbox) vermittelt zwischen Gesellschaften und ihren Kunden. Das Verfahren ist kostenlos.