Eine Hörerin des SRF-Konsumentenmagazins «Espresso» traute ihren Ohren nicht, als sie erfuhr, dass ihre Koffer von einem Auto zur Ferien-Wohnung im Engadin gebracht wurden: «Ich fahre mit dem Zug nach La Punt und mein Gepäck fährt mit dem Auto, das beisst sich doch!»
Seit Jahren fährt die umweltbewusste Frau mit ihrer Familie mit dem Zug in die Ferien. Und sie nahm an, dass ihre Koffer mit dem Gepäckservice der SBB ebenfalls auf der Schiene ans Ziel gelangten. Klar, für die letzten Meter zum Haus brauche es vielleicht je nach Ort noch ein Auto, aber grundsätzlich sei sie davon ausgegangen, dass auch ihr Gepäck umweltfreundlich transportiert werde.
Ähnlich erstaunt war ein Mann, der seine Sommerferien im Tessin verbrachte. Um die Nord-Süd-Achse nicht zusätzlich zu verstopfen und der Umwelt zuliebe fuhr er mit dem Zug ins Tessin. Er benützte den Tür-zu-Tür Service der SBB für sein Gepäck. Ein SBB-Mitarbeiter habe seine Koffer zuhause abgeholt und die Koffer einen Tag später im Ferienhaus im Onsernonetal wieder abgeliefert. Er sei völlig perplex gewesen, dass seine Koffer tatsächlich mit dem Auto ins Tessin gekarrt wurden.
SBB: «Fernverkehrszüge ins Tessin haben keine Gepäckabteile»
Die SBB ärgert sich über die Anfrage von «Espresso». Ein Sprecher sagte am Telefon, das sei ja seit Jahren so und nichts Neues. Nun, das mag sein. Ob die Leute das auch wissen, wenn sie ihre Koffer am Bahnhof aufgeben oder zuhause abholen lassen, ist eine andere Frage.
Die SBB schreibt uns auf unsere Fragen unter anderem: «In den letzten Jahren wurden alle Gepäckwagen ausgemustert. Als Ersatz verkehren in ausgewählten Fernverkehrszügen Personenwagen mit Gepäckabteilen.» Und explizit schreibt sie, dass ins Tessin keine Züge mit Gepäckabteilen im Einsatz sind. Das heisst, dass der Gepäckservice der SBB ins Tessin immer über die Strasse erfolgt.
Zum Fall des Gepäcktransports ins Engadin schreibt die SBB: «Das Gepäck wird von Zürich nach Chur mit der Bahn transportiert. Ab Chur erfolgt der Transport nach La Punt per Lieferwagen.» Und sie ergänzt, dass zwischen folgenden Bahnhöfen der Transport immer per Bahn erfolge: Zürich HB, Luzern, Chur, Basel, Bern, Interlaken Ost, Brig und Lausanne.
Forderung nach mehr Transparenz
Auf der Internetseite der SBB wird nirgends erwähnt, dass grosse Teile des Gepäcktransports per Auto erfolgt. «Ich fordere, dass man das klar deklariert», sagt die umweltbewusste Zugreisende gegenüber «Espresso», «für mich ist das ein Versteckspiel.» Ob sie ihr Gepäck in den Skiferien im Engadin wieder verschickt, ist für sie noch offen.