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Schlauer i d’Wuche Deshalb steckt nicht immer fairer Handel in Fairtrade-Produkten

Der sogenannte Mengenausgleich erlaubt die Vermischung von Fairtrade- und konventionellen Rohstoffen.

Man kennt das Prinzip vom Ökostrom: In Haushalten, die sich für Strom aus erneuerbaren Quellen entschieden haben, kommt der gleiche Strom aus der Steckdose, wie bei jenen, die konventionellen Strom beziehen wollen. Dennoch wird mit dem Kauf von Ökostrom der Ausbau von erneuerbaren Energien unterstützt. Ganz ähnlich verhält es sich mit gewissen Fairtrade-Produkten.

So funktioniert der Mengenausgleich

Im Normalfall ist es so, dass Rohstoffe aus fairem Handel separat verarbeitet werden. Beispielsweise Fairtrade-Bananen: Von der Palme bis in den Supermarkt bleiben diese von konventionellen Bananen getrennt. Bei anderen Fairtrade-Rohstoffen – namentlich bei Kakao, Tee, Zucker und Fruchtsäften – sei diese strikte Trennung aber nicht möglich, sagt Simon Aebi, Leiter Commercial bei Fairtrade Max Havelaar: «Bei diesen wenden wir den Mengenausgleich an.»

Als Beispiel nennt Aebi Fairtrade-Orangensaft, der meist aus Brasilien komme. «Saftorangen müssen nach der Ernte sehr schnell verarbeitet werden. Die Fairtrade-Bäuerinnen und -Bauern sind also auf entsprechende Entsaftereien angewiesen.» Die grossen Entsaftungsbetriebe seien aber unter anderem aus logistischen Gründen oft nicht bereit, Fairtrade- und herkömmliche Produkte voneinander getrennt zu verarbeiten. «Der Aufwand wäre für sie zu gross.» Der Saft von herkömmlichen und Fairtrade-Orangen werde deshalb vermischt. Wichtig sei dabei: «Die gelieferte Menge an Fairtrade-Orangen ergibt eine bestimmte Menge Saft. Und ausschliesslich diese Menge Saft darf anschliessend zu Fairtrade-Bedingungen verkauft werden.»

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Legaler Etikettenschwindel?

Um beim Beispiel der Orangen zu bleiben: Für Konsumentinnen und Konsumenten heisst das, dass sie unter Umständen einen Liter Fairtrade-Orangensaft kaufen, in dem kein bisschen Saft aus Fairtrade-Orangen steckt. «Ja, das ist tatsächlich möglich», sagt Simon Aebi von Max Havelaar: «Aber man kann sicher sein, dass im Umfang dieses Liters auch wirklich Orangensaft zu Fairtrade-Bedingungen produziert worden ist.»

Für Aebi ist das kein Etikettenschwindel: «Auf den Produkten wird ausgelobt, dass sie mit Mengenausgleich produziert worden sind.» Und auch wenn das ein Begriff sei, der vermutlich nicht allen geläufig sei: «Über einen Link, der ebenfalls auf den Produkten angegeben ist, kann man sich weiter informieren.»

Es geht auch ohne Mengenausgleich

Konsumentenschutzorganisationen stehen dem Mengenausgleich kritisch gegenüber. Sara Stalder, Geschäftsführerin der Schweizer Stiftung für Konsumentenschutz, bezeichnete den Mengenausgleich gegenüber SRF schon als «Irreführung der Menschen, die auch wirklich Fairtrade-Produkte unterstützen wollen». Auch die Verbraucherzentrale in Deutschland findet, wo «fair» draufsteht, müsse auch «fair» drin sein.

Es gibt Fairtrade-Organisationen, die auf den Mengenausgleich verzichten. So akzeptiert etwa die deutsche Gepa den Mengenausgleich nur in Ausnahmefällen – z.B. bei kurzfristiger Nichtverfügbarkeit eines Produkts. Für Fairtrade Max Havelaar kommt das derzeit nicht infrage: «Wenn wir auf Mengenausgleich verzichten würden, könnten viele Klein-Bäuerinnen und -Bauern nicht mehr zu Fairtrade-Bedingungen produzieren.»

Espresso, 2.10.2023, 8:10 Uhr

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