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«Espresso Aha!» Päckli nach Samnaun: Warum nur mit Zollformular?
Aus Espresso vom 29.02.2016. Bild: Keystone
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«Espresso Aha!» Päckli nach Samnaun: Warum nur mit Zollformular?

Die Post-Kundin staunte nicht schlecht, als das Päckli, das sie nach Samnaun geschickt hatte, als nicht zustellbar zurückkam. Das Zollformular habe gefehlt. «Warum muss ich ein Paket verzollen, das in der Schweiz bleibt?», fragt sich die Kundin. «Espresso Aha!» gibt Antwort.

Das Päckchen hätte möglichst zügig in Samnaun ankommen sollen. Doch daraus wurde nichts: Nach ein paar Tagen war es wieder auf der Innerschweizer Poststelle, wo es die Kundin aufgegeben hatte. «Man sagte mir, dass das Zollformular fehle», berichtet die erstaunte Kundin. «Das Päckchen wurde in der Schweiz aufgegeben – und der Empfänger wohnt auch in der Schweiz. Warum muss da ein Zollformular drauf?»

Samnaun ist Zoll-Ausland

Die Gemeinde Samnaun im Engadin ist sogenanntes Zollausschlussgebiet. Das heisst: Die Ortschaft liegt zwar in der Schweiz, es gelten aber die gleichen Zollregeln wie für das Ausland oder auch für Duty-free-Bereiche an Flughäfen.

Dieser Sonderstatus hat historische Gründe: Noch im 19. Jahrhundert war Samnaun vom Rest der Schweiz so gut wie abgeschnitten. «Die Wege in die Schweiz waren weit und beschwerlich. Sie führten über hohe Pässe, die nur im Sommer begehbar waren», sagt Erwin Küng, Leiter der Zollfahndung Samedan im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Aus diesem Grund versorgten sich die Bewohner Samnauns vorwiegend mit Produkten aus dem Tirol, denn dieses war über einen einfacheren Weg erreichbar.

Als dann 1848 das Schweizer Zollwesen vereinheitlicht und die definitive Schweizer Zollgrenze festgelegt wurde, brachte das für Samnaun erhebliche Nachteile mit sich: «Für die in Österreich erworbenen Produkte fielen plötzlich Zölle an», erzählt Zollfahnder Küng. Das Leben in Samnaun wurde also von einem Tag auf den anderen teurer.

Zollfrei seit 1892

Kurz nach Einführung der Zollgrenze begann sich in Samnaun Widerstand zu formieren. Die Gemeinde wollte aus dem Schweizer Zollgebiet ausgeschlossen werden. Das Unterfangen gelang 1892: Der Bundesrat winkte das entsprechende Gesuch Samnauns durch.

Seither ist Samnaun Zollausschlussgebiet – und das, obwohl das Dorf längst über eine Strasse mit der Restschweiz verbunden ist. Es gab in den letzten Jahrzehnten immer wieder politische Vorstösse, die Samnaun den Sonderstatus entziehen wollten. Sie alle scheiterten.

Letztmals hielt der Bundesrat 2013 fest, dass aus seiner Sicht kein Handlungsbedarf bestehe. Aufgrund der Nähe Samnauns zum italienischen Zollauschlussgebiet Livigno, sei es aus wirtschaftlichen und touristischen Gründen nicht angebracht, den Status von Samnaun zu ändern.

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Eine Gemeinde vermarktet ihren Status

Samnaun weiss seinen Sonderstatus zu nutzen, preist sich als «höchstgelegene Shoppingmeile» Europas an. Im Dorf locken Uhren- und Schmuck-Boutiquen, Parfümerien und Modegeschäfte Touristen an, die häufig nur für einen Tag bleiben.

Für das Einkaufen in Samnaun gelten, wie gesagt, die gleichen Zollregeln wie für das Einkaufen ennet der Grenze. Es dürfen also beispielsweise fünf Liter Wein und 250 Zigaretten pro Person mitgenommen werden. Kontrolliert wird man dabei etwa auf der Rückfahrt Richtung St. Moritz beim Zollamt Martina.

Und eben: Wer ein Postpaket nach Samnaun schickt, schickt rechtlich gesehen ein Paket ins Ausland. Daher sollte man sicher sein, dass das die nötigen Unterlagen für den Zoll dabei sind. Am besten erkundigen Sie sich auf der Poststelle.

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