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Wenn ein Missgeschick fälschlicherweise kosten soll
Aus Espresso vom 04.02.2019. Bild: Key
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Kaputtes Lavabo Wenn ein Missgeschick fälschlicherweise kosten soll

Ein kaputtes Lavabo kostet einen Mieter nach 35 Jahren nichts mehr. Eine Verwaltung verrechnete es trotzdem.

Es war ein Missgeschick: Einem «Espresso»-Hörer ist in seiner Zürcher Wohnung eine Parfümflasche ins Lavabo gefallen. Das entstandene Loch konnte nicht repariert werden, das ganze Lavabo musste ersetzt werden.

Nach einiger Zeit erhielt der Mieter von seiner Verwaltung Livit AG eine Rechnung über gut 800 Franken. Wegen «Mieterverschulden» müsse er den ganzen Schaden übernehmen, hiess es im Begleitbrief.

Für ein 35 Jahre altes Lavabo muss der Mieter nichts mehr bezahlen

Der Mieter stutzte. Das kaputt gegangene Lavabo erschien ihm zu alt, als dass er so viel bezahlen müsste. Er machte sich im Internet schlau und stiess dabei auf die sogenannte paritätische Lebensdauertabelle, welche der Mieter- und der Hauseigentümerverband gemeinsam erarbeitet haben.

Hier ist festgehalten, nach welcher Zeit Wohnungsbestandteile ihre Lebensdauer erreicht haben. Ab dann müssen sich Mieter nicht mehr am Ersatz beteiligen. Bis dahin müssen sie sich lediglich am Zeitwert beteiligen, welcher mit der Zeit abnimmt.

Laut der Tabelle beträgt die Lebensdauer eines Lavabos 35 Jahre. Der Mieter erkundigte sich bei den Nachbarn und bald war klar: Die Lavabos wurden 1983 eingebaut, sind also abgeschrieben. Er rief mehrmals seine Verwaltung an und wies darauf hin, dass er die Rechnung nicht bezahlen müsse.

Ohne Erfolg. Auch auf entsprechende Mails erhielt er die Auskunft, dass die Livit AG auf der Bezahlung beharre. Der Mieter solle sich an seine Haftpflichtversicherung wenden.

Livit AG verzichtet auf die Rechnung - «aus Kulanz»

Entnervt tat er dies. Erst als die Haftpflichtversicherung die Livit AG kontaktierte und auf die Regelung mit dem Zeitwert hinwies, lenkte die Verwaltung ein. Man verzichte «aus Kulanz» auf die Forderung und werde die Rechnung stornieren. Dies hinterliess beim Mieter einen faden Nachgeschmack. Ihn ärgert sein Aufwand und dass die Livit AG nicht zugeben wollte, dass die Rechnung schlicht ungerechtfertigt war.

Verwaltung räumt mehrere Fehler ein

Erst als das SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» der Livit AG Fragen zum Fall stellt, räumt die Verwaltung Fehler ein. In einer schriftlichen Stellungnahme heisst es: «Es ist richtig, dass dem Mieter irrtümliche eine Rechnung für den Schadenfall ausgestellt wurde.»

Dies habe man erst nach der Kontaktaufnahme durch die Versicherung bemerkt, und daraufhin dem Mieter «irrtümlich» mitgeteilt, man habe die Rechnung aus Kulanz storniert.

Mieterverband rät zum Gang zur Schlichtungsbehörde

Beim Schweizerischen Mieterverband zeigt man sich auf Anfrage wenig überrascht über den Fall. Es würde immer wieder vorkommen, dass Verwaltungen versuchten, Liegenschaften auf Kosten der Mieter oder der Haftpflichtversicherung zu sanieren. Insbesondere bei Malerarbeiten nach dem Auszug würde regelmässig versucht, diese fälschlicherweise voll weiter zu verrechnen. Man rate den Mietern in so einem Fall zum Gang vor die zuständige Schlichtungsbehörde.

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