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Schützt Roche teures Medikament?

Es gibt seit Jahren ein günstiges und wirkungsvolles Medikament gegen eine bestimmte Form von Altersblindheit: Avastin. Doch die Herstellerfirma will es nicht auf den Markt bringen – obwohl es nicht mehr Nebenwirkungen hat als ein bereits zugelassenes und viel teureres Medikament.

Das Medikament Avastin der Pharmafirma Roche wirkt nicht nur gegen Krebs, sondern – das wurde vor fast zehn Jahren zufällig entdeckt – auch gegen eine besondere Form der Altersblindheit, die feuchte Makuladegeneration. Doch dafür ist das Medikament nicht zugelassen.

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Roche schützt teures Medikament
aus Rendez-vous vom 15.09.2014. Bild: Keystone
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Roche zeigt auch kein Interesse, das zu ändern. Denn gegen die Altersblindheit hat die Firma bereits ein anderes, sehr ähnliches, aber viel teureres Medikament auf dem Markt: Lucentis. Lucentis habe weniger Nebenwirklungen als Avastin, sagt Roche. Das bekräftigt auch die Pharmafirma Novartis, die Lucentis ausserhalb der USA – also auch in der Schweiz – vertreibt.

Vergleichbare Nebenwirkungen

Doch nun kommt eine Übersichtsstudie des unabhängigen Expertennetzwerks «Chochrane Collaboration» zum Schluss: Avastin sei mitnichten gefährlicher als Lucentis.

Der Fall wirft grundsätzliche Fragen auf: Was tun, wenn es ein billiges Medikament gegen eine Krankheit gibt, der Hersteller jedoch nichts von einer Zulassung wissen will? Ein italienisches Kartellgericht kam im Fall von Avastin zum Schluss: Das geht nicht – und verurteilte Roche und Novartis zu happigen Strafzahlungen. Die beiden Pharmafirmen haben Berufung eingelegt.

Millionen einsparen

In der Schweiz liessen sich mit dem Einsatz von Avastin statt Lucentis jährlich rund 90 Millionen Franken einsparen, rechnete der Krankenkassenverband santésuisse kürzlich vor. Doch solange Roche keine Zulassung beantrage, könnten sie nicht aktiv werden, sagen sowohl die Zulassungsbehörde Swissmedic wie das Bundesamt für Gesundheit.

Das wollen santésuisse und verschiedene Parlamentarierinnen ändern: Sie verlangen eine Anpassung des Heilmittelgesetzes. Auch andere Akteure aus dem Gesundheitswesen sollen einen Antrag auf Änderung der Indikation eines Medikaments – Altersblindheit statt Krebs bei Avastin – einreichen können.

Doch nicht billiger?

Doch das würde das Zulassungssystem von Medikamenten völlig umkrempeln. Nicht zuletzt stellen sich Haftungsfragen: Wer zahlt, wenn plötzlich Probleme auftreten? Die Pharmafirma, die gar keine Zulassung wollte?

Roche gibt auf Anfrage zudem zu bedenken: «Eine Nutzen-Risiko-Beurteilung für eine potenzielle Marktzulassung von Avastin würde ein sehr umfangreiches, kostspieliges und langwieriges Entwicklungsprogramm für ein Arzneimittel erfordern (…). Der Preis von Avastin, sollte es zugelassen werden, müsste die Investitionen eines solchen Studienprogramms berücksichtigen.»

Sprich: Würde Avastin gegen Altersblindheit zugelassen, wäre es gar nicht mehr billiger als Lucentis. Jedenfalls, wenn es nach Roche geht.

«Off label»

Augenärzte gehen deshalb bereits seit Längerem einen anderen Weg: Sie setzen Avastin «off label» ein, also ohne Zulassung. In der Schweiz wird das toleriert. Doch die Krankenkassen müssen dem Patienten die Kosten für das Medikament nicht vergüten.

Ob es da nicht eine bessere Lösung gäbe? Diese Frage wird im Rahmen der Revision des Heilmittelgesetzes als nächstes der Ständerat zu diskutieren haben.

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