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Häusliche Gewalt – Spuren sichern, bevor sie verblassen
Aus Puls vom 22.08.2016.
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Häusliche Gewalt dokumentieren!

Opfer häuslicher Gewalt sollten Gewaltspuren ärztlich dokumentieren lassen, auch wenn sie im Moment die Polizei nicht einschalten möchten. Auf Belege lässt sich in späteren Verfahren zurückgreifen. Ein neuer Ansatz ist, Pflegepersonal besser in klinischer Rechtsmedizin zu schulen.

Opfer häuslicher Gewalt haben aus vielen Gründen oft grosse Hemmungen, Hilfe zu suchen oder gar Anzeige zu erstatten. Sie fürchten zum Beispiel eine weitere Eskalation, sind finanziell abhängig, möchten die Familie zusammenhalten oder hoffen auf Besserung.

Pflegefachpersonen und Ärzte (z. B. Hausarzt, Notfall oder Gynäkologie) sind häufig die ersten, mit denen Opfer von häuslicher Gewalt in Kontakt kommen. Sie können Schlüsselpersonen sein, wenn es darum geht, eine Gewaltspirale zu stoppen. Es ist von Vorteil, dass das Arzt-Patienten-Verhältnis speziell geschützt ist: Während eine Anzeige bei der Polizei automatische Verfahren in Gang bringen kann, unterstehen Ärzte der beruflichen Schweigepflicht. Ob diese Belege rechtlich verwendet werden, auch zu einem späteren Zeitpunkt, entscheiden allein die Betroffenen selbst.

Gewaltspuren dokumentieren – Pflegepersonal einbeziehen

Die ärztliche Dokumentation enthält oft die einzigen gerichtswirksamen Belege für spätere Straf- und Zivilverfahren. Die Dokumentation umfasst: die schriftliche Schilderung der Vorfälle und der psychischen Verfassung, Resultate der körperlichen Untersuchung, allenfalls auch Fotos und Skizzen, Spurensicherung.

Ein neuer Ansatz ist, Pflegepersonal besser in klinischer Rechtsmedizin zu schulen. Der erste Forensic-Nursing-CAS-Studiengang in der Deutschschweiz läuft derzeit in Zürich, veranstaltet von Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich.

Die Polizeistatistik erfasst eine Minderheit

Rund 17‘000 Straftaten häuslicher Gewalt kamen im Jahr 2015 zur Anzeige. Die Delikte verstossen gegen rund 30 Bestimmungen des Strafgesetzbuchs und reichen von Tätlichkeiten, Drohung, Beschimpfung oder Körperverletzung bis zu sexuellen Straftaten und Tötungsdelikten.

Die Fallzahlen erfassen nur die von der Polizei registrierten Fälle und gelten als Minimalwerte. Die Schweizerische Opferbefragung von 2011 kommt zum Schluss, dass nur 22 Prozent der Fälle an die Polizei gelangen. Und rund 70 Prozent der Strafverfahren werden auf Wunsch des Opfers sistiert. In Zukunft soll das bei Wiederholungstaten nicht mehr möglich sein. Der Bundesrat will das Strafrecht entsprechend verschärfen.

Häusliche Gewalt – Betroffene in Negativ-Spirale gefangen

Bei häuslicher Gewalt geht es nicht um gewöhnliche Streitereien. Sie ist gekennzeichnet durch eine ungleiche Beziehung, die geprägt ist von Machtausübung und Kontrolle durch die gewalttätigen Partner. Psychische Gewalt geht mit körperlicher Gewalt einher. Die Gewalt nimmt mit der Zeit eher zu. An den Wochenenden kommt es besonders oft zu häuslicher Gewalt. Häufig wechseln sich Phasen der Eskalation mit Phasen der Entspannung und Versöhnung ab. Betroffene gehen immer wieder auf Versprechungen und Reue-Bekenntnisse ein. Sie passen sich an und versuchen vergeblich, durch viele Strategien weitere Gewalt zu verhindern.

Wirtschaftliche Abhängigkeiten und die Sorge um Kinder schwächen die Position, meist die der Frauen, zusätzlich. Sie werden in der Beziehung immer schwächer, verlieren ihr Selbstwertgefühl. Es braucht oft jahrelange Anläufe, um sich aus einer gewalttätigen Beziehung zu lösen. Trennungsphasen sind besonders heikel oder sogar gefährlich für die Gewaltopfer.

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