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Deutsches Gesetz bringt nichts Doping-Kronzeuge? Das will kein Sportler sein

Trotz milden Strafen für Insider packt niemand über Doping aus. Der Schaden wäre immer noch zu gross, sagt Doping-Experte Hajo Seppelt.

Mit der sogenannten Kronzeugenregelung hoffte man in Deutschland, dass endlich mehr Sportlerinnen und Sportler über Doping auspacken. Mit diesem neuen Gesetz, durch das Strafen für Informanten gemildert werden, könne man «Insider ermutigen, Doping offenzulegen», sagte die deutsche Bundesjustizministerin Christine Lambrecht vor einem Jahr.

Doch weit gefehlt. In den vergangenen zwölf Monaten konnte kein einziger Prozess aufgrund der neuen Regelung gestartet werden. Trotz der Aussicht auf Strafmilderung wollte noch immer kein Athlet und keine Athletin zum Whistleblower werden.

Die Rechtslage in der Schweiz

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Die Schweiz kennt kein Anti-Doping-Gesetz wie in Deutschland. Hierzulande ist nur der Handel und die Verabreichung von Doping verboten. Dagegen gibt es keine Kronzeugenregelung, geschweige denn ist Selbstdoping im Strafrecht verankert. Letzteres, was ein erster Schritt darstellen würde, wird vom Bund derzeit aber geprüft.

«Es ist zwar ein wichtiger und guter Versuch», sagt der prominente Sportjournalist und Doping-Experte Hajo Seppelt gegenüber SRF, «doch es ist nicht so einfach, dass plötzlich ganze Mauern des Schweigens einstürzen.»

Auspacken lohnt sich nicht

Seppelt versucht zu erklären, wieso die Kronzeugenregelung noch nicht gefruchtet hat. Für die Sportler handle es sich immer um ein Abwägen zwischen Kosten und Nutzen: Was hat man zu verlieren, oder welche Strafe erwartet einen. «Offensichtlich ist es bis jetzt so, dass die Athletinnen glauben, dass der Schaden beim Auspacken weiterhin grösser ist», so der Deutsche.

Grund dafür sei, dass im Doping die soziale Ächtung eine wichtige Rolle spiele. Zudem sind Sportler in solchen Fällen immer Teil eines Lügen-Netzes. Man muss sich dann fragen: Was richtet man mit den Aussagen im eigenen Sportverein an, im Trainingsteam, im Coaching-Staff? Der Schaden wäre für den Whistleblower auch aus persönlicher Sicht riesig, ein ganzes (meist erfolgreiches) System würde zusammenbrechen.

Gesetz muss nachgeschärft werden

«An sich ergibt die Kronzeugenregelung Sinn, aber sie muss aus meiner Sicht nachgeschärft werden», erläutert Seppelt. Ein Weg wäre, den Anreiz zu erhöhen. Also dass Whistleblowern zum Beispiel die Strafe ganz erlassen, anstatt nur gemildert wird.

Ein anderer Ansatz wäre, Strafen für Doping generell zu verschärfen: Übeltäterinnen sollen härter sanktioniert werden und die Angst davor würde in der Folge steigen – damit sehen für Insider die Aussichten auf Strafmilderung gleichzeitig rosiger aus. Doch ein Patentrezept, um endlich mehr Personen zum Auspacken zu bewegen, fehlt weiterhin.


Radio SRF 1, Abendgespräch, 27.9.2022, 18:45 Uhr ; 

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