Nach drei Jahren unter Marco Bayer wird die Schweizer U20-Nationalmannschaft erstmals an einer WM von Marcel Jenni gecoacht. Der langjährige Kloten- und Lugano-Akteur, der auch mehrere Jahre in Schweden spielte, bestritt fast 200 Spiele für die Schweizer Nati. Seit 2020 coachte er die U18-Nati, die er zuletzt an der Heim-WM in die Viertelfinals führte.
SRF Sport: Wie lautet Ihre Zielsetzung vor dem Beginn der WM in Göteborg?
Marcel Jenni: Es ist vor Turnierstart schwierig, ein Ziel zu setzen. Für uns ist wichtig, dass wir an unser Maximum herankommen und mit viel Herz und Leidenschaft spielen. Wir werden sehen, wo uns das hinführt.
Gegen die USA dürfte es schwierig werden, Punkte zu holen. Gegen Aufsteiger Norwegen muss hingegen ein Sieg her. Einverstanden?
Einen Gratissieg gibt es nicht. Die USA sind haushoher Favorit, sie haben eine unglaubliche Mannschaft mit vier mega gut besetzen Linien. Dasselbe gilt für die Tschechen und Slowaken in diesem Jahrgang. Die physischen und schnellen Norweger sind ebenfalls ein harter Brocken. Sie haben Topspieler in ihren Reihen, die in höheren schwedischen Ligen spielen. Das wird kein Selbstläufer, aber wir freuen uns sehr auf diese Herausforderung.
Wo sehen Sie die Stärken Ihrer Mannschaft, wo die Schwächen?
Wir haben eine relativ junge und eher leichte Mannschaft. Es fehlt ihr etwas an der Breite und Erfahrung. Aber das Team hat viel Speed und es hat viele gute Spieler mit grossem Talent. Eine Stärke ist der Zusammenhalt: Das ist eine verschworene Einheit. Ich habe richtig Freude an ihr. Darum wünsche ich mir, dass die Jungs das abrufen können, was in ihnen steckt.
Lian Bichsel hat trotz Freigabe auf eine WM-Teilnahme verzichtet. Können Sie den Entscheid nachvollziehen?
Das möchte ich nicht kommentieren. Mich interessieren die Spieler, die da sind.
Dafür können Sie mit Leon Muggli (Zug) und Daniil Ustinkov (ZSC Lions) auf zwei Spieler zurückgreifen, die bereits Einsätze in der National League hinter sich haben. Was erwarten Sie von diesen beiden?
Sie haben beide ein grosses Potenzial, arbeiten unglaublich gut und sind auf gutem Weg. Bei Leon merkt man, dass er bei seinem Klub etwas mehr Eiszeit hat. Ich erwarte aber nicht, dass sie den Karren reissen müssen, da gibt es andere Spieler.
Die November-Testspiele waren Gold wert.
Beim Fünf-Nationen-Turnier im November setzte es in 4 Partien 3 Niederlagen ab. Wie schätzen Sie diese Leistungen ein?
Da waren wir vom Tempo her recht überfordert. Seither sind wir aber einen Riesenschritt vorwärtsgekommen. Die Spieler geben unglaublich Gas. Ich bin hochzufrieden.
Welche Erkenntnisse konnten Sie aus diesem Turnier für die WM-Vorbereitung mitnehmen?
Diese Erfahrungen sind Gold wert. Sie haben natürlich gemerkt, dass da noch einiges fehlt. Es ist wichtig, dass wir auf einem solchen Level spielen und sehen können, woran es liegt. Dann kann man die Lücke schliessen.
Für Sie ist es das erste Turnier als U20-Coach. Ist die Anspannung grösser als auch schon?
Ich bin mega entspannt, dafür voller Energie und Freude. Das Kribbeln ist schon etwas da, aber ich spüre keinen Riesendruck. Alles cool.
Das internationale Hockey ist ganz anders, als wir es aus der Schweiz gewohnt sind
Erleichtert es Ihre Arbeit, dass Sie bereits auf der U18-Stufe mit einer Nationalauswahl gearbeitet haben?
Das ist ein enormer Vorteil. Das internationale Eishockey ist ganz anders, als wir es uns in der Schweiz gewohnt sind. Ich kenne natürlich alle Spieler, die von unten her raufkommen. Ich weiss, was es braucht, wo wir stehen und wie man sich auf ein solches Turnier vorbereitet. Zudem habe ich einen Super-Staff um mich herum.
Die U20-WM findet dieses Jahr in Göteborg statt. Wie präsentiert sich die Situation vor Ort?
Wir sind mega happy. Wir haben ein sehr gutes Hotel mit einer Etage für uns und einem Meeting-Raum. Die Halle ist super, wir haben genug Platz. Alles ist top organisiert, und zu essen gibt’s auch genug.
Sie spielten mehrere Jahre bei Färjestad BK. Ist es für Sie etwas Besonderes, nach Schweden zurückzukehren?
Auf jeden Fall. Ich war 6 Jahre hier, kenne viele Leute und die schwedische Kultur. Es ist ein bisschen wie eine Heimkehr.
Das Gespräch führte Michael Gasser. Bearbeitung: boe.