Schweizer Goalies in der NHL? Das hat in diesem Jahrhundert schon fast Tradition. David Aebischer, Martin Gerber, Jonas Hiller oder auch Reto Berra hinterliessen in der besten Eishockey-Liga der Welt ihre Spuren.
In der vergangenen Saison gab mit Akira Schmid ein weiterer Schweizer Torhüter sein NHL-Debüt. Was wohl viele nicht wissen: Der Berner von den New Jersey Devils war nicht der einzige Goalie mit Schweizer Pass, der in der kürzlich zu Ende gegangenen Spielzeit 2021/22 ein NHL-Tor hütete. Sagt Ihnen der Name Joey Daccord etwas?
Wurzeln in Freiburg
Der 25-Jährige absolvierte 5 Partien in der NHL für Seattle, das dank der Aufstockung der Liga zu seiner Debüt-Saison kam. Vor einem knappen Jahr hatten die Kraken im Expansion Draft Daccord von den Ottawa Senators gezogen. 3 Jahre ist der in Boston geborene Goalie schon als Profi unterwegs, insgesamt steht er bei 14 NHL-Einsätzen, die meiste Zeit verbrachte Daccord in der zweitklassigen AHL.
Bevor sich Daccord für den Start des Sommertrainings wieder nach Nordamerika begibt, geniesst er im freiburgischen St. Antoni, dem Heimatort seiner Mutter, gemeinsam mit seiner Familie die letzten Ferientage. Eltern und Bruder sind seit über 20 Jahren in Boston wohnhaft, Joey Daccord selbst lebt aktuell alleine in Seattle. Nebst dem Schweizer besitzt er auch den US-amerikanischen sowie den kanadischen Pass. Obschon sich Daccords Lebensmittelpunkt weit weg von der Schweiz befindet, fühlt er sich sehr verbunden mit dem Herkunftsland seiner Mutter. Entsprechend wichtig ist es ihm auch, etwas Schweizerdeutsch sprechen zu können.
«All in» für den NHL-Traum
Wirklich sesshaft geworden ist Daccord in seiner noch jungen Profi-Karriere nicht. Da er kein fixer NHL-Starter ist, muss er noch mehr Zeit ins Reisen investieren als in Nordamerika ohnehin schon üblich. Weil Seattle in der abgelaufenen Saison noch kein AHL-Farmteam besass, spielte Daccord für die Charlotte Checkers, das Farmteam der Florida Panthers. Nicht selten musste er kurzfristig hin und her pendeln.
Zwischen Florida und Seattle liegen über 4000 Kilometer. Diese Strapazen nimmt der 25-Jährige aber gerne in Kauf: «Das ist Teil des Business. Man kann nicht erwarten, sofort permanent in der NHL spielen zu dürfen. Ich muss mich in der AHL beweisen und dann die wenigen Chancen nutzen, die ich in der NHL bekomme», so Daccord.
Den einen Teil konnte der 2015 als Nummer 199 gedraftete Goalie erfüllen: Mit einer Fangquote von 92,5 Prozent aus 34 Regular-Season-Spielen mit Charlotte gehörte Daccord letzte Saison in der AHL zu den besten Keepern der Liga. In der NHL allerdings konnte er Seattle bei seinen Einsätzen nicht zum Sieg verhelfen, die Fangquote war mit 85 Prozent alles andere als optimal.
Dazu muss man noch sagen, dass die Kraken in ihrer ersten NHL-Saison kaum konkurrenzfähig waren, während Charlotte in der AHL seine Division auf Platz 1 abschloss. Von den Verteidigern kam in der AHL entsprechend ungleich mehr Hilfe für Daccord. «Es ist schwer, in der NHL in einen Rhythmus zu kommen, wenn man nur vereinzelt zum Einsatz kommt. In der AHL ist das komplett anders», schildert der Schlussmann.
Engagement in der Schweiz? «Ja, aber ...»
Wo Daccord die nächste Spielzeit beginnen wird, weiss er noch nicht. «Die Free Agency steht an, es ist also alles möglich. Vielleicht holt Seattle einen neuen Goalie. Vielleicht werde ich sogar getradet», sagt er entspannt. Ihm bleibe nichts anderes übrig, als seine Qualitäten Tag für Tag unter Beweis zu stellen und auf die nächste Möglichkeit zu warten. Den Rest würden andere entscheiden, so Daccord.
Zwar nicht in diesem Sommer, aber in vorangegangenen Jahren, haben auch schon Schweizer Klubs bei ihm angeklopft. Ein Wechsel in die National League kommt für Daccord aber noch nicht in Frage. Mit Betonung auf noch. «Die Schweiz ist einer meiner Lieblingsorte. Es ist ein Ziel von mir, irgendwann hier zu spielen. Aber hoffentlich erst nach einer langen NHL-Karriere.»
