Einer der derzeit besten Eishockeyspieler der Welt kommt aus – Deutschland. Das Land, eher für seine Fussballtradition berühmt als für Geschichten aus dem Eisstadion, stellt mit Leon Draisaitl den Superstar in der nordamerikanischen NHL. Mit 108 Punkten (43 Toren) aus 67 Spielen führt der Kölner die Skorerwertung klar an. Und er ist erst 24 Jahre alt.
In Edmonton, wo er 2014 von den Oilers gedraftet wurde und seither (in der gleichen Franchise wie der Schweizer Gaëtan Haas) seine Brötchen verdient, ist er zusammen mit Sturmpartner Connor McDavid das Aushängeschild. Und wirbelt zusammen mit ihm die Liga auf.
Erwartungen übertroffen
Bereits vor 6 Jahren wurde Draisaitl eine grosse Karriere vorausgesagt, schon damals bezeichnete man ihn als «deutschen Gretzky». Claus Vetter vom deutschen Tagesspiegel kennt den Werdegang des Centers – hätte aber nie erahnt, dass Draisaitl in diesem Ausmass durchstarten würde. Er lobt dessen spielerische Fähigkeiten:
- «Seine Reaktionsschnelligkeit ist einmalig. Man fragt sich: Wie schafft er das? Kein Zaudern, kein Nachdenken, nichts.»
- «Er hat ein gutes Auge, auch als Passgeber. Und er macht unfassbare Tore.»
- «Läuferisch ist Draisaitl von einem anderen Stern. Und er ist sehr robust.»
Aber auch als Person sei Draisaitl «unglaublich bodenständig». Er ordne alles dem Sport unter, sei unglaublich ehrgeizig, so Vetter. Und der Experte ergänzt: «Es prallt vieles von ihm ab. Er wirkt immer ausgeruht.»
Köln ist stolz auf ihn. Und ihm ist Köln unglaublich wichtig.
Bei den Kölner Haien grossgeworden, fühlt sich Draisaitl immer noch sehr mit der Heimat verbunden, schaut sich immer wieder Partien an und schickt den Spielern Mitteilungen mit Analysen. «Die Kölner sind stolz auf ihn. Und Köln ist ihm unglaublich wichtig», sagt Vetter.
Hype in Deutschland (noch) nicht ausgebrochen
Ist Leon Draisaitl zum Roger Federer Deutschlands gereift? «Falsch», sagt Vetter. Vom Rang eines «Superstars» sei er in seinem Heimatland noch weit entfernt. Vetter weiss, wieso der Hype unseren nördlichen Nachbarn noch nicht erfasst hat:
- «Es hat mit der Einstellung zu tun. [...] In Deutschland ist eben der Fussball eine ganz grosse Nummer, da kommt man nicht dran vorbei.»
- «Eishockey ist nicht unpopulär, aber man schaut hier mehr die eigene deutsche Liga (DEL). Er wird zwar mehr wahrgenommen, aber er ist noch nicht der absolute Topstar.»
- «Federer ist in Deutschland wahrscheinlich bekannter als Draisaitl selbst.»
Zudem hinke die NHL weiterhin der Basketball-Liga NBA hinterher. Dieser hat Dirk Nowitzki damals mächtig Aufwind für den Bekanntheitsgrad in Deutschland gegeben.
Federer ist in Deutschland wahrscheinlich bekannter als Draisaitl.
Folgt die erste grosse Trophäe?
Der einzige Makel in der bislang glanzvollen Karriere des erst 24-Jährigen? Draisaitl wartet noch auf den ersten grossen Pokal. Mit den Edmonton Oilers wird er die Playoffs wohl erreichen und steht Deutschland damit an der diesjährigen WM höchstwahrscheinlich nicht zur Verfügung. Die Jagd auf den Stanley Cup hingegen gestaltet sich trotz Erfolgswelle alles andere als einfach.
Vetter ist aber guten Mutes: «Draisaitl ist nicht verletzungsanfällig. Er wird einige Rekorde brechen.» Zieht der «deutsche Gretzky» seine Pace weiter, ist ihm immerhin die persönliche Trophäe des «MVP» der Saison kaum mehr zu nehmen. Und er wird die Oilers immer mehr zum Titelkandidaten der NHL machen.
Spätestens dann werden nicht mehr nur Edmonton und Köln, sondern ganz Deutschland mitfiebern.
Resultate und Tabellen
Sendebezug: SRF 3, Morgenbulletin, 3.3.2020, 7:03 Uhr