Die Zeiten, in denen Kanada, die USA, Schweden und Finnland zu den alleinigen Titelanwärtern an einer Eishockey-WM gehören, sind vorbei. Die Teams sind näher zusammengerückt, einen besonders grossen Schritt hat dabei Deutschland seit dem Gewinn von Olympia-Silber 2018 gemacht. Immer wichtiger werden aufgrund der hohen Leistungsdichte Finessen im Bereich des Schlittschuhlaufens sowie Spielstudien mittels Videomaterial.
Jessica Campbell ist beim deutschen Nationalteam für diesen Feinschliff verantwortlich. Mit ihrem Wirken als «Skills Development Coach» leitet sie kleinere Trainingsgruppen und gibt den Spielern auf der Bank individuelle Anweisungen.
Damit sorgt die 29-jährige Kanadierin für ein Novum an einer Eishockey-WM: Sie ist die erste Frau, die dem Coachingstaff eines Männer-Teams angehört. Entsprechend gross ist das mediale Interesse an ihr, die meisten Fragen zielen auf ihre Rolle innerhalb der Männerdomäne ab.
Für die Spieler mag es eine neue Erfahrung sein, doch wir sprechen die Sprache des Eishockeys miteinander.
Immer wieder mit stereotypischen Vorstellungen konfrontiert, gibt die ehemalige Nationalspielerin zu verstehen: «Das Setting einer WM ist für mich nicht neu. Ich bezweifle, dass es eine spezifisch weibliche Perspektive auf eine Mannschaft gibt. Für mich persönlich kann ich sagen, dass ich zielgerichtet kommuniziere und mich stets in die Lage der Spieler hineinzuversetzen versuche. Für sie mag es eine neue Erfahrung sein, doch wir sprechen alle die Sprache des Eishockeys.»
Auch NHL-Spieler schwören auf Campbell
Zweifellos kann Campbell aus einem grossen Fundus schöpfen: Während ihrer Aktiv-Zeit spielte sie in verschiedenen Ligen Nordamerikas, ehe sie sich 2020 nach einem Engagement bei den Malmö Redhawks in Schweden dem Trainer-Business zuwandte.
Ihr Fokus lag fortan «auf der individuellen Ebene, um die Spieler während der Saisonvorbereitung besser zu machen.» Dazu gehören beispielsweise Spieler wie Tyson Jost von den Colorado Avalanche in der NHL.
Auch im Nationalteam Deutschlands musste sich Campbell ihren Respekt nicht lange erarbeiten. Captain Moritz Müller ist voll des Lobes: «Wenn man in einen Raum kommt, wird man von der Gruppe natürlich bewertet. Das hängt allerdings nicht mit dem Geschlecht zusammen, sondern mit der Fachkompetenz. Alles, was sie schon beim ersten Meeting gesagt hatte, hatte Hand und Fuss.»
Ausserdem habe ihre Anwesenheit positiven Einfluss auf das Team, meint Müller lachend: «Ich glaube schon, dass sich die Jungs hie und da besser benehmen.»