Als die Schweiz am Mittwochabend an der WM in Prag auf Grossbritannien traf, standen mit Josh Tetlow und Ollie Betteridge zwei Spieler beim Gegner auf dem Eis, welche den tragischen Unfall von Adam Johnson als Teamkollegen hautnah miterleben mussten.
Ich habe viele Flashbacks, und die sind nicht sehr angenehm.
Johnson war am 28. Oktober 2023 im Duell seiner Nottingham Panthers mit den Sheffield Steelers bei einem Zusammenprall von einer Kufe am Hals getroffen worden. Die Verletzungen waren so schwer, dass der US-Amerikaner wenig später im Spital verstarb.
Grosse mentale Belastung
Die Verarbeitung dieser Tragödie ist bei beiden Spielern noch im Gange, sowohl Tetlow als auch Betteridge möchten sich in Prag auf Anfrage von SRF nicht zu diesem Thema äussern.
Darüber gesprochen hat hingegen ein anderer Akteur der Nottingham Panthers. In einem Interview mit BBC Sport verrät Victor Björkung: «Ich denke mehr oder weniger jeden Tag an diese Szene. Ich habe viele Flashbacks, und die sind nicht sehr angenehm», so der Schwede.
Was er gesehen hat, traumatisierte ihn dermassen, dass an Eishockey spielen nicht mehr zu denken war. Björkung verliess das Team und kehrte in sein Heimatland zurück, um sich dort psychisch behandeln zu lassen.
Halsschutz-Pflicht in der Schweiz: Liga nein, Nati ja
Nicht nur in Grossbritannien hat der Unfalltod von Johnson hohe Wellen geschlagen, er liess auch im internationalen Eishockey die Alarmglocken läuten. So wurden die Forderungen nach der Einführung einer Halsschutz-Pflicht auch in der Schweiz immer lauter. Während die National League die Entscheidung weiterhin den Klubs überlässt, gilt beim Nationalteam seit letztem Dezember ein Halsschutz-Obligatorium.
Im Dezember kündigte auch der Weltverband und Organisator sämtlicher Weltmeisterschaften, die IIHF, eine über alle Altersklassen anzuwendende Halsschutz-Pflicht an. An der aktuell laufenden A-WM in Tschechien fällt aber auf, dass bei weitem nicht jeder Spieler wie bei den Schweizern einen Schutz in Form einer Halskrause oder eines schnittfesten Langarmshirts trägt.
IIHF-Beschluss verzögert sich
Ein Verstoss gegen die Ausrüstungs-Vorschriften also? Nein, wie wir auf Anfrage bei der IIHF herausfinden. Die Halsschutz-Pflicht verzögert sich bis zum Start der Saison 2024/25. Die Begründung: Da ein solches IIHF-Obligatorium eine grosse Tragweite habe und eine riesige Nachfrage generiere, bräuchten die Lieferanten zusätzliche Zeit, um die Produkte anbieten zu können.
Somit kann an der diesjährigen WM – sofern vom nationalen Verband nicht anders geregelt – jeder Spieler selbst entscheiden, ob er sich am Hals schützen möchte oder nicht.
Swiss Ice Hockey ist nicht der einzige Verband an dieser WM, der dem IIHF zuvorkam und von sich aus ein Obligatorium bestimmte. Wir haben bei den anderen 7 Teams der WM-Gruppe A in Prag nachgefragt und folgende Antworten erhalten:
Team | Halsschutz-Pflicht? | Anmerkungen |
Schweiz | Ja | |
Grossbritannien | Ja | Obligatorium wurde bereits 1 Tag nach Johnsons Tod beschlossen |
Kanada | Nein | orientiert sich an A-WM an IIHF |
Finnland | Ja | |
Österreich | Nein | orientiert sich an A-WM an IIHF. Anders als bei Kanada müssen die U20-Spieler im Kader aber zwingend einen Halsschutz tragen, so z.B. Vinzenz Rohrer |
Tschechien | Nein | Ursprünglicher Plan war WM-Obligatorium. Als Tschechien vom IIHF erfuhr, dass es erst eine Empfehlung gibt, wurde verzichtet |
Norwegen | Nein | Obligatorium in nationaler Liga, nicht aber im Nationalteam |
Dänemark | Ja |