Als die Schweizer vor 12 Jahren in Stockholm zum 1. Mal in der Neuzeit einen WM-Final erreichen, staunen selbst die Spieler über den Erfolg, den keiner erwartet hatte. Noch 1997 hatte man in der B-Gruppe gespielt und den direkten Aufstieg nur als Ausrichter der A-WM 1998 geschafft. Diesmal ist die Freude über die Silbermedaille nur sehr gedämpft.
Nach einem fast perfekten Turnier schien Gold im Final gegen die USA auf dem Präsentierteller zu liegen. Die Ansprüche sind gestiegen, auch die Spieler wollten diesen 1. WM-Titel für die Schweiz unbedingt und sind einmal mehr gescheitert.
Fischer denkt gross, die Spieler ebenso
Dennoch darf die positive Tendenz nicht übersehen werden. Dass eine Silbermedaille mittlerweile eine Enttäuschung sein kann, zeigt die steile Entwicklung in den 9 Jahren unter der Führung von Cheftrainer Patrick Fischer. Die Schweiz ist kein Kandidat für die Viertelfinals mehr, sondern ein steter Medaillenanwärter – auch deshalb setzen die NHL-Spieler alle Hebel in Bewegung, um an der WM spielen zu können. Das ist zu einem grossen Teil das Werk von Fischer und seiner Art.
«In der Schweiz ist es eher verpönt, wenn man selbstbewusst auftritt. Leider», sagt Fischer. «Aber es ist der einzige Weg zum Erfolg. Daran habe ich mit meinem Coachingstab viele Jahre gearbeitet.» Nicht immer und nicht überall wurde die forsche Art Fischers goutiert. Auch der 49-jährige Zuger selber ist nicht frei von Selbstzweifeln. Noch vor 2 Jahren, nachdem man in Riga zum 4. Mal in Folge im Viertelfinal gescheitert war, stellte er der Mannschaft die Vertrauensfrage. Deren Antwort fiel klar aus: Man wollte mit Fischer weitermachen, und der Verband verlängerte seinen Vertrag bis nach der Heim-WM 2026.
Fischer ist in den 9 Jahren als Chef an der Bande auch als Coach gewachsen, doch seine grösste Stärke ist seit seiner Amtsübernahme die Fähigkeit, Spieler von seinem Projekt zu begeistern. Selbst NHL-Millionäre spielen gerne für ihn, die Schweiz und ihre Teamkollegen, auch weil sie überzeugt sind, jedes Mal um die Medaillen spielen zu können. Das schafften sie nun zum 3. Mal in den letzten 7 Turnieren.
Ein Finaltrauma?
Dass es mit dem WM-Titel erneut nicht geklappt hat, mag am Verletzungspech liegen. Mit Roman Josi fehlte einer der besten Verteidiger der Welt, ab Spiel 4 fiel mit Nico Hischier auch noch der Captain und Center der 1. Linie aus. Auch wenn sich alle in den Dienst der Mannschaft stellten und der Teamgeist vorbildlich gelebt wurde, war am Ende wiederum ein Team ein wenig stärker. Muss man da von einem Finaltrauma sprechen? Die nächsten Jahre werden es weisen.
Tatsache ist, dass das Fenster für einen WM-Titel offen bleibt, vielleicht schon kommendes Jahr bei der Heim-WM. Die Schweiz wird auf absehbare Zeit zu den Medaillenkandidaten zählen. Sie profitiert dabei gleich dreifach vom Ausschluss Russlands.
- ... ist ein Konkurrent um die Medaillen weniger da.
- ... durfte man ihren Platz in der Euro Hockey Tour übernehmen und deshalb die unschätzbare Erfahrung von regelmässigen Duellen mit den Grossmächten Schweden, Finnland und Tschechien machen.
- ... stieg das Niveau in der nationalen Meisterschaft durch die Flut von Olympiasiegern und Weltmeistern, die aus der KHL in die Schweiz wechselten, enorm.
Ob die Entwicklung mit den 6 Ausländern auf Dauer gut ist für das Schweizer Hockey, wird sich weisen. Für den Moment haben sie aber die Schweizer, die ihren Platz in den Klubs behaupten, besser gemacht.