Für Franz Beckenbauer war die Europa League, als sie sich noch Uefa Cup nannte, schlicht der «Pokal der Verlierer». Wenngleich er seine Bayern 1996 als Interimstrainer zum Triumph auf zweithöchster europäischer Stufe führte. Freilich, dem damaligen Präsident des FC Bayern München war in klassischer «Mia-san-Mia»-Manier nur die Champions League gut genug.
Letztlich ist alles eine Frage der Perspektive. So werden auch jene YB-Akteure, die 2021 Leverkusen in spektakulären Sechzehntel-Final-Duellen eliminierten, «Kaiser Franz» widersprechen.
Kommt es zum deutschen Final?
Mittlerweile bewertet man die kleine Schwester der Champions League beim grossen Nachbarn mitunter wohlwollender. Kein Wunder, zeichnet sich doch ein rein deutsches Endspiel ab. Eintracht Frankfurt gewann sein Halbfinal-Hinspiel bei West Ham 2:1, Leipzig setzte sich zuhause gegen die Glasgow Rangers 1:0 durch.
Dabei hatten Beckenbauers Worte für die Bundesliga-Klubs lange Zeit fast prophetische Wirkung. Schalke war 1997 der letzte deutsche Uefa-Cup-Champion, danach folgte eine Flaute. Auch die Umbenennung 2010 in «Europa League» half herzlich wenig. Blamagen gegen Östersund (Hertha Berlin) oder Ludogorets Rasgrad (Leverkusen) wurden zur Gewohnheit. Nur zwei deutsche Klubs schafften es in der 13-jährigen EL-Geschichte in den Halbfinal: der HSV (2010) und Frankfurt (2019). Beide verpassten das Endspiel.
Gerade für die Eintracht wurde die EL zuletzt zum Lieblingswettbewerb. Die Sensation im Viertelfinal gegen Barcelona trug ihren Teil dazu bei, dass die Hessen mittlerweile als fünfter deutscher Klub die magische Marke von 100'000 Mitgliedern erreicht haben.
Mittendrin ist Djibril Sow. Der Zürcher war 2019 von YB zu den Frankfurtern gewechselt. Der längst zu einer tragenden Säule im Team avancierte Schweizer betonte, dass die in dieser EL-Saison noch ungeschlagene Mannschaft «noch einmal alles raushauen» müsse. Es lockt schliesslich nicht nur der silberne Pokal, als Titelträger würde sich die Eintracht zudem erstmals für die Champions League qualifizieren.
Silberner Pokal gegen grauen Liga-Alltag
Auf anderem Weg ist die Quali für die «Königsklasse» auch nicht möglich. Dem Glanze des europäischen Parketts wurde mitunter der graue Alltag in der Bundesliga untergeordnet. Zuletzt blieb man 6 Ligaspiele sieglos, verlor davon 3. Als 11. befinden sich die «Adler» im Niemandsland der Tabelle.
Dazu passend erklärte Trainer Oliver Glasner am Montag ironisch, seine letzten Worte ans Team vor der 0:2-Niederlage bei Leverkusen seien gewesen: «Passt auf, dass ihr euch nicht weh tut und beglückwünscht Bayer Leverkusen nach dem Spiel.»
Frankfurts Kalkül scheint zu sein, die Bundesliga als «Verlierer-Wettbewerb» zu akzeptieren – und dadurch die Europa League zum «Gewinner-Cup» zu machen. Egal, was der Franz einst sagte.