Mit Kanadas Stürmerlegende Christine Sinclair und Nigeria-Captain Onome Ebi nehmen an der WM in Australien und Neuseeland zwei Spielerinnen im Alter von 40 Jahren teil. Fussballerisch ist dieses Alter dem absoluten Spätherbst zuzurechnen, historisch wiederum eher mit einem Wimpernschlag vergleichbar. Umso grösser ist die Überraschung, dass die Philippinerinnen, deren Fussballverband nur eben 3 Jahre älter ist als Sinclair und Ebi, die erstmalige WM-Qualifikation schafften.
Zwei Schwestern schreiben Geschichte
Der philippinische Aufschwung – er kam schnell und er kam plötzlich. Noch 1995 setzte es gegen China eine 0:21-Niederlage ab. Datieren lässt sich die sportliche Geschichtsschreibung auf Ende Januar 2022. Erst gelang völlig überraschend in der Gruppenphase des Asian Cups der erstmalige Sieg über die thailändischen Rivalinnen. Zur Matchwinnerin beim 1:0-Sieg wurde Torschützin Chandler McDaniel – wie der überwiegende Teil des Kaders eine Spielerin mit amerikanischen Wurzeln. Ein überragendes Debüt feierte dabei eine 28-Jährige namens Katrina Guillou, doch zu ihr später mehr.
Dann wurde rund eine Woche später im Viertelfinal mit einem Sieg im Penaltyschiessen über Taiwan das WM-Ticket gelöst. Wiederum hiess die grosse Figur McDaniel, mit Vornamen jedoch Olivia. Die Torhüterin und ältere Schwester von Chandler hatte zwei Elfmeter pariert und ihren Versuch souverän verwandelt.
Den nächsten Gipfel erklommen die «Filipinas», als sie im Juli 2022 die Südostasien-Meisterschaft für sich entschieden. Im Halbfinal (4:0 über WM-Teilnehmer Vietnam) trafen die beiden Co-Captains Hali Long und Tahni Annis sowie Knipserin Sarina Bolden doppelt. Im Final wurde ein zweites Mal Thailand überrollt. Unter die Torschützinnen beim 3:0 reihte sich auch die zuvor erwähnte Guillou. Für sie dürften einige Akteurinnen im Schweizer Kader keine Unbekannten sein: Sie bestritt in der Saison 2016/17 für Lugano 13 Meisterschaftspartien.
Dass sie überhaupt Nationalspielerin wurde, hat die in Washington geborene Mittelfeld-Akteurin mit französischen Wurzeln dem Internet zu verdanken. Auf Anraten ihres Klubtrainers schickte die Tochter einer philippinischen Mutter ein Highlight-Video ihrer besten Szenen an den Fussballverband der Philippinen. Prompt erhielt sie einen Pass und die Einladung fürs Nationalteam. Mittlerweile steht sie bei Pitea in der höchsten schwedischen Liga unter Vertrag.
Guillou und Co. haben in ihrer Heimat veritable Euphorie ausgelöst. Alisha Del Campo, der Star der Nationalelf, wurde sogar von der Vogue porträtiert, Co-Captain Long und Ersatz-Keeperin Inna Palacios ebenfalls. Del Campos Pech: Sie brach sich im November 2022 bei einem Motorradunfall den Fuss und verpasst die WM.
Auch mit ihr wären die Philippininnen nicht über den Status des krassen Aussenseiters hinausgekommen. Und doch muss sich die Schweiz hüten: Das Team von Trainerfuchs Alen Stajcic ist defensiv stabil, konterstark – und hat Hunger auf mehr.
