Es läuft die 54. Minute, als es für die Schweizerinnen kritisch wird. Eseosa Aigbogun unterläuft in der eigenen Platzhälfte ein Fehlpass. Vier Norwegerinnen ziehen auf drei Schweizer Verteidigerinnen los. Doch die Rettung naht in Person von Julia Stierli. Sie bewahrt die Ruhe und trennt Frida Maanum mit einer couragierten Grätsche sauber vom Ball.
Am Ende heisst es in Hamilton 0:0, die Schweizer Nati bleibt auch nach dem 2. Spiel der Frauen-WM in Australien und Neuseeland ohne Gegentor. Immer wieder haben im Zentrum Stierli und die nach innen gerutschte Noelle Maritz Fuss oder Kopf im letzten Moment noch entscheidend in Position gebracht. Und im Notfall kann sich das Team auf den späteren «Player of The Match» verlassen: Gaëlle Thalmann.
Stierli blickt zufrieden zurück, man habe «viele gute Sachen» gezeigt, wenngleich auch ein Tor und damit der Sieg drin gelegen wären. «Wir haben uns den Punkt mit Disziplin, Kampf und Solidarität erarbeitet.» Von Stürmerin Ana-Maria Crnogorcevic bis Torhüterin Thalmann habe jede ihren Teil zur Abwehrarbeit beigetragen. Nun fehlt nur noch ein Punkt zur sicheren Achtelfinal-Qualifikation.
Nach der Rückreise nach Dunedin stand bei der Nati die Regeneration im Vordergrund: «Die Physios hatten wohl viel zu tun, doch das ist nach jedem Match so», erzählt Stierli. Sie muss es wissen, absolvierte sie doch selbst die Ausbildung zur Physiotherapeutin. Die FCZ-Stammkraft gehört zu jenen Nati-Akteurinnen, die wegen ihres Jobs schon wichtige Partien verpasst haben.
Rekord im allerersten WM-Spiel
War gegen Norwegen die mentale Anstrengung immens – «man musste 95 Minuten lang fokussiert sein», so Stierli –, sei die Philippinen-Partie körperlich genauso fordernd gewesen. Für die 26-jährige Aargauerin war dies die erste WM-Partie überhaupt. Dabei gelang ihr umgehend ein Rekord: Die grossgewachsene Innenverteidigerin gab 117 Pässe ab. Das hatte es seit der Datenerfassung 2011 noch nie gegeben.
Was bedeutet Stierli die Bestmarke? Nun, gar nichts: «So etwas ist auch immer vom Gegner abhängig, ich finde das nicht relevant.» Was auffällt: Neben vielen Pässen schlägt die mit 1,82 m grösste Spielerin des Nati-Kaders auch die Eckbälle von der rechten Seite. Grund dafür ist, dass Linksfüsserinnen im Team Seltenheitswert geniessen.
Wir habe nicht viele Linksfüsserinnen. Ausserdem sind andere Spielerinnen kopfballstärker als ich – trotz der Grösse.
Ohnehin seien diverse Mitspielerinnen bei Standards gefährlicher, sie gehöre nicht zu den Kopfballstärksten, gesteht Stierli. Diese Selbsteinschätzung muss indes mit einem «aber» versehen werden: Sie gilt nur für Kopfbälle in der Offensive, was das Norwegen-Spiel bewies. Immer wieder behielt Stierli bei Luftduellen im eigenen Sechzehner die Oberhand.
Grings steht vor der Qual der Wahl
Vor der WM war nicht klar gewesen, ob Inka Grings in der Abwehr auf die FCZlerin setzen würde. Nun hat die Trainerin vor dem letzten Gruppenspiel die Qual der Wahl. Sie rechnet damit, dass Viola Calligaris und Luana Bühler «zu 100 Prozent fit» werden. Trifft dies zu, dürfte möglicherweise Bühler mit Stierli die Innenverteidigung bilden und Maritz und Calligaris die defensiven Aussenbahnen besetzen.
Gegen «Wundertüte» Neuseeland ist im wohl ausverkauften Dunedin Stadium vorab bei Hannah Wilkinson Vorsicht geboten. Die Stürmerin hatte den Co-Gastgeber zum 1:0-Überraschungssieg gegen Norwegen geschossen. «Sie ist ein Tank, der schnell und torgefährlich ist», schätzt Stierli ein. Der Plan der «Ferns» sei wohl, mit langen Bällen hinter die Kette zu kommen.
Die stark besetzte Nati-Defensive hat das Potenzial, auch diese Aufgabe zu lösen. Sollte es dann doch einmal kritisch werden, muss Stierli halt abermals zur Monstergrätsche ansetzen.