Der Moment des Abschieds naht, schon am Sonntag muss sich Melanie Leupolz von ihrem Sohn trennen. Wenn es für die Fussball-Mama mit dem deutschen Nationalteam zum ersten WM-Spiel gegen Marokko nach Melbourne geht, bleibt der «Kleine», wie das jüngste Mitglied der DFB-Reisegruppe oft genannt wird, zwei Tage bei seiner Nanny im Teamquartier im australischen Wyong.
Es ist sehr kräftezehrend und braucht viel Energie.
«Es ist schon eine Herausforderung. Es ist sehr kräftezehrend und braucht viel Energie», offenbart die Mittelfeldspielerin vom englischen Meister Chelsea im Gespräch mit DAZN über die Doppelbelastung zwischen Familie und Beruf. Als Mutter im Leistungssport – noch dazu bei einer Titeljagd am anderen Ende der Welt – braucht es eine Menge Pionierarbeit und Unterstützung. «Ich wollte Frauen zeigen: Hey, ihr könnt beides machen», sagt die 29-Jährige: «Das hat mich angetrieben.»
Comeback 4 Monate nach der Geburt
Gleichzeitig war da dieser beängstigende Gedanke: «Ich wusste, es ist ein Risiko, ich setze meine Karriere aufs Spiel.» Doch die ehrgeizige Olympiasiegerin von 2016 kämpfte sich zurück. Nach einjähriger Babypause gab Leupolz Ende Januar ihr Comeback bei Chelsea – nur vier Monate nach der Geburt.
Das rasante Tempo findet sie rückblickend selbst «verrückt», es sei «spannend zu sehen, was der Körper alles schafft. Ich habe mit viel mehr Widerständen von meinem Körper gerechnet, aber ich hatte eine super Unterstützung.» So stellte Chelsea ihr unter anderem eine Beckenboden-Spezialistin, die Leupolz sogar vor Ort in Deutschland betreute.
Voss-Tecklenburg und Schult als Vorreiterinnen
So gelang auch die Rückkehr ins Nationalteam, wo der DFB die Betreuungskosten trägt – und wo Trainerin Martina Voss-Tecklenburg den Spagat als Mutter im Fussball gut nachempfinden kann. Sie selbst brachte Tochter Dina während ihrer aktiven Karriere zur Welt, in den 1990er-Jahren fehlte noch jegliche Unterstützung für gemeinsame Turnierreisen.
Erst bei der EM 2022 hatte die derzeit erneut schwangere Torhüterin Almuth Schult mit ihren Zwillingen die Vorreiterin gegeben. Wie im Vorjahr in England kommt der Nachwuchs auch im WM-Camp hervorragend an. «Es ist einfach witzig, wenn wir gerade beim Essen sind und eine ernsthafte Ansage gemacht wird, aber dann brabbelt ein Kleinkind rein», erzählt Laura Freigang: «Ich habe das Gefühl, es gibt einem sehr, sehr viel.»
Womöglich steigt Leupolz nach dem Abschied von ihrem Sohn mit dem guten Gefühl ins Flugzeug nach Melbourne, dass sie anstelle der angeschlagenen Lena Oberdorf (Oberschenkelverletzung) am Montag in der Startelf steht. Um topfit und ausgeschlafen zu sein, schläft der 9 Monate alte Sohn bereits zwei Tage vorher bei der Nanny.
Leupolz weiss: Egal wie das Spiel läuft, sie wird am Dienstag von strahlenden Augen in Wyong empfangen. «Klar, es ist super anstrengend, aber wenn du nach Hause kommst und ein Lächeln bekommst, weisst du, wofür du das alles machst.»