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TV-Star im Interview Holmes: «Die ‹Matildas› haben die nationale Psyche erfasst»

Tracey Holmes deckt für ABC aktuell die Frauen-WM ab. Wir haben mit der australischen TV-Ikone über den Hype um die «Matildas», die allgemeine Begeisterung rund um die WM 2023 und die Chancen des Heimteams gegen Frankreich gesprochen.

SRF Sport: Sie berichten über die Heim-WM der Frauen. Wie gross ist der Rummel in Australien?

Tracey Holmes: Es läuft wirklich gut. Und das gilt nicht nur für das australische Nationalteam, sondern für jede Equipe, die hier antritt. Ich glaube, das hat einige Leute auf dem australischen Markt wirklich verblüfft. Wenn man aus einem anderen Land kommt, gibt es nur einen Fussball. Aber in Australien gibt es vier verschiedene Fussballarten, darunter «Soccer». «Soccer» kommt an letzter Stelle. Aber durch diese WM hat die Geschichte gedreht. Zum ersten Mal ist «Soccer» die Nummer 1. Es ist phänomenal, dass ihnen diese Anerkennung zuteil wird.

Wie zeigt sich diese WM-Begeisterung in Australien konkret?

Auch Leute, die sonst den Sport nicht verfolgen, sind plötzlich interessiert und gehen los und kaufen Trikots mit dem Namen von Sam Kerr auf dem Rücken oder Ellie Carpenter oder Hayley Raso oder anderen Stars. Und die Leute veranstalten Grillfeste und Partys. Auf Twitter hat mir jemand geschrieben, dass es sogar mitten in der Wüste eine Art Camping-Konvoi gibt. Die «Matildas» haben die nationale Psyche erfasst.

Es macht mich nervös, wenn ich so über sie spreche, weil man sie nicht mit einem Bann belegen will.
Autor: Tracey Holmes

Haben Sie einen solchen Hype nicht erwartet?

Ich habe einen Hype erwartet, denn es ist WM und die «Matildas» sind in Australien ein sehr angesehenes Team. Es ist die einzige Equipe, die bei den verschiedenen Umfragen über die emotionale Bindung zu unseren Nationalteams immer an der Spitze oder zumindest unter den Top 3 steht. Wir wissen also, dass es eine Menge Liebe für dieses Team gibt.

Was finden Sie das Überraschendste?

Wirklich erstaunlich ist die Verbindung zu allen anderen Teams. Wir haben ausverkaufte Stadien bei Spielen, an denen die «Matildas» gar nicht beteiligt sind. Das war fantastisch, denn wie in vielen anderen Ländern gibt es auch bei uns noch keine Gleichstellung zwischen Männer- und Frauenteams, obwohl Australien im Vergleich zu anderen Ländern recht gut abschneidet. Aber zu sehen, dass die «Matildas» und all die anderen Frauenteams hier auf Platz 1 liegen, ist toll. Aber es macht mich nervös, wenn ich so über sie spreche. Denn ich will sie nicht mit einem Bann belegen, der ihren Lauf beenden könnte.

Jedes Mal, wenn die Frauen-WM übertragen wurde, erreichten sie Rekordeinschaltquoten, die Leute wollten sie also sehen.
Autor: Tracey Holmes

Was erwarten Sie vom Viertelfinal gegen die Französinnen?

Das Spiel gegen Frankreich wird ein unglaublich schweres, wahrscheinlich das schwerste. Australien hat einige gute Ergebnisse gegen starke Teams erzielt (4:0 vs. Kanada, 2:0 vs. Dänemark) . Aber Frankreich wurde immer besser. Ich war heute auf der Pressekonferenz und habe einige Spielerinnen und natürlich die Trainer gehört. Der französische Coach ist ziemlich zurückhaltend, sagt wenig, lächelt. Aber es ist, als kämen Dolche aus seinen Augen. Er will wie jeder Trainer gewinnen, aber er sieht unglaublich stark aus.

Live-Hinweis

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Die Partie Australien – Frankreich sehen Sie am Samstagmorgen ab 08:30 Uhr Schweizer Zeit auf SRF zwei und in der Sport App.

Hat die Anerkennung für die Australierinnen dank der Heim-WM zugenommen?

Die australischen Frauen spielen seit über 100 Jahren Fussball, aber sie bekamen nicht wirklich viel Anerkennung. Seit Mitte der 1990er-Jahre werden die Weltmeisterschaften übertragen, aber auf einem Minderheitensender, unserem multikulturellen Kanal, der wahrscheinlich das kleinste Publikum hat. Aber jedes Mal, wenn die Frauen-WM übertragen wurde, erreichten sie Rekordeinschaltquoten, die Leute wollten sie also sehen. Aber ich denke, in den letzten zwei Jahrzehnten hat der Frauensport in Australien ein ganz anderes Niveau erreicht.

Können Sie die Entwicklung ausführen?

Der Frauensport hat sich dem angenähert, was die Berichterstattung über den Männersport schon immer war, und ist damit mehr in den Mainstream gerückt. Die Leute schreiben über die «Matildas», nicht nur über die «Socceroos», unsere Männer. Das hat dazu beigetragen, ein Profil aufzubauen. Und zum ersten Mal haben wir jemanden wie Sam Kerr, die der Star des Teams ist. Sie spielt für Chelsea, ist eine der besten Spielerinnen der Welt. Aber wir haben auch viele andere Spielerinnen, die in Europa oder in den USA spielen. Das hat die Bekanntheit dieses Teams erhöht. Und die Australier sind immer gern der Aussenseiter, doch mehr als das: Sie wollen gewinnen. Wenn also ein Aussenseiter gewinnen kann, ist Australien sehr glücklich.

Kapitänin Kerr spielte aufgrund einer Verletzung erst einige Minuten. Haben Sie Neuigkeiten zu ihr?

Auf der heutigen Pressekonferenz sagte Trainer Tony Gustavsson, dass sie bereit und in der Lage sei, zu spielen, aber er wollte nicht bestätigen, ob sie starten würde. Ich denke, das ist nur ein Teil der Psychospielchen. Auf diesem Niveau setzt man alles ein, was man zur Verfügung hat, um zu gewinnen. Dazu gehört auch das Rätselraten der Gegner, ob Kerr spielen wird oder nicht. Denn das hat natürlich Auswirkungen auf Frankreich und darauf, wen sie in der Startelf haben.

Zur Person

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Tracey Holmes.
Legende: Star im australischen TV Tracey Holmes. imago images/AAP

Tracey Holmes moderierte mit «Grandstand» als erste Australierin eine nationale Sportsendung. Sie war in ihrer langen Karriere unter anderem an 15 Olympischen Spielen, 3 Weltmeisterschaften der Männer und nun an der 2. Frauen-WM. Seit 2014 moderiert sie für ABC .

Das Gespräch führte Sarah Schiller.

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