Manche Trainer treten mit ihren Füssen gegen Trinkflaschen. Andere schlagen mit der Faust auf die Bank. Wieder andere springen auf, verwerfen die Hände. Und Alejandro Sabella? Er kippt im Spiel gegen Belgien nach einem Lattentreffer von Gonzalo Higuain einfach nach hinten weg. Die Szene ist ein Renner auf Youtube und hat dem argentinischen Coach neben wohl gemeinten Lachern auch viel Häme eingebracht.
Er lässt alles abtropfen
Nichtsdestotrotz eignet sie sich zum Versuch einer Annäherung an Sabella. Der 59-Jährige ist kein Mann der lauten Worte und grossen Gesten. Schon als Spieler handelte er sich den Übernamen «Pachorra» ein, was in der gütigeren Übersetzung «Gelassenheit», in der weniger vorteilhaften «Phlegma» oder «Trägheit» bedeutet.
Mit seiner ruhigen Art sah sich Sabella, der die argentinische Nationalmannschaft 2011 übernommen hatte, alsbald im Kreuzfeuer der Kritik. Die argentinische Trainer-Tradition ist geprägt von Figuren, welche eine klare Meinung von sich und dem Spiel, das sie sehen wollen, haben. Cesar Luis Menotti (Weltmeistertrainer 1978) glaubte an offensiven, von taktischen Fesseln befreiten Fussball, während Carlos Bilardo (Weltmeistertrainer 1986) auf eine starke Verteidigung baute. Sabella hingegen habe «keine Philosophie», schimpfte Menotti.
Keine fixe Idee vom Spiel
Die Kritik an Sabella nahm nach den ersten Auftritten in Brasilien noch zu. Er besitze wenig Rückgrat, Lionel Messi diktiere die Taktik hiess es. Sabella liess das alles an sich abtropfen, wie auch den Wasser-Spritzer, mit welchem ihn Ezequiel Lavezzi im Spiel gegen Nigeria bedachte.
Der Coach foutierte sich darum, sich stark zu positionieren. Er will seinen Spielern kein System aufzwingen, sondern bezieht sie in seine Entscheidungsfindung mit ein. «Ich lasse mich gerne überzeugen, wenn das Potenzial einer Mannschaft ein anderes System erfolgreicher erscheinen lässt», erklärte er. Interessanterweise spielte Argentinien letztlich aber doch so, wie es zu Sabella passt: wenig spektakulär, aber meist die Ruhe bewahrend; selten wirklich schön, aber stets erfolgreich.
Resultate als beste Argumente
Als nüchterner Pragmatiker coachte Sabella sein Team mit knappen Siegen in die Halbfinals. Gegen die Niederlande machte er dann die Schotten endgültig dicht. Nur drei gegnerische Schüsse fanden den Weg auf das Tor. Dem Erfolg ordnete der Trainer alles unter. Er riskierte, nach einem der langweiligsten Spiele der WM mit seiner Mannschaft heimzureisen - die Kritik wäre entsprechend ausgefallen.
Doch Argentinien siegte, und mittlerweile hat sich Sabella mit seinem Resultatfussball wenn nicht Ansehen, so doch zumindest Respekt verschafft. Sollte ihm am Sonntag gegen Deutschland der Coup gelingen, würde ihm auch ersteres zufallen. Er stünde dann in einer Reihe mit den charismatischen Menotti und Bilardo.
Sendebezug: SRF zwei, FIFA WM 2014 live, 09.07.14 22:00 Uhr.