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Interview mit Ex-Nati-Goalie Zuberbühler: «Schweiz im Halbfinal? Wäre nicht überrascht!»

Der ehemalige Nati-Goalie spricht im Interview über grosse Ambitionen und seinen langjährigen Weggefährten Murat Yakin.

Pascal Zuberbühler ist in diesen Tagen ein gefragter Mann. Als «Senior Football Expert» und Mitglied der «Technical Study Group» der Fifa hetzt er in Doha von Termin zu Termin. «Ich bin zwar erst vier Tage hier, doch es fühlt sich viel länger an», lacht er, als wir ihn zum Interview treffen.

Um über die Schweizer Nati zu sprechen, nimmt sich «Zubi» aber gerne ein paar Minuten Zeit. Die Mannschaft, für die er 51 Länderspiele bestritt, liegt ihm weiterhin am Herzen. Und geht es nach dem Ex-Nati-Goalie, wird das Team seines langjährigen Weggefährten Murat Yakin die Schweizer Fussball-Fans begeistern.

SRF Sport: Pascal Zuberbühler, die Schweizer Nationalmannschaft startet mit grossen Ambitionen ins WM-Turnier in Katar. Wie haben Sie die Nati zuletzt erlebt?

Pascal Zuberbühler: Wunderbar, wunderbar! Es ist schön zu sehen, was in der Schweiz abgeht. Gerade auch jetzt unter Murat Yakin, er ist ein guter Freund von mir. Ich traue ihm als Trainer mit seiner Mannschaft hier an der WM sehr viel zu. Über die Spieler müssen wir gar nicht diskutieren, sie sind fantastisch! Wir haben hervorragende Einzelspieler, die in der Vergangenheit mehrfach bewiesen haben, dass man gemeinsam auch die Grossen schlagen kann.

Zur Person

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Der langjährige Nati-Goalie Pascal Zuberbühler.
Legende: War nicht unumstritten Der langjährige Nati-Goalie Pascal Zuberbühler. Keystone/Eddy Risch

Pascal Zuberbühler absolvierte für die Schweizer Nationalmannschaft 51 Länderspiele und war 2006 Teil des WM-Kaders. In Deutschland kassierte der heute 51-Jährige in 4 Spielen kein einziges Gegentor – ein noch heute unerreichter Rekord. Seit 2017 arbeitet Zuberbühler in diversen Funktionen bei der Fifa.

Sie geraten geradezu ins Schwärmen …

Absolut! Der Sieg auswärts gegen Spanien ( in der Nations League, Anm. d. Red. ) war jüngst ein weiteres Ausrufezeichen. Das ist schlicht «wow»! Aber es war nicht nur dieses Spiel. An dieser WM ist für die Nati alles möglich. Ich freue mich, das Schweizer Team zu beobachten und bin gespannt, wozu es fähig sein wird.

Sie haben vorhin Murat Yakin angesprochen. Sie kennen ihn bestens, haben gemeinsam als Spieler bei GC und Basel mehrere Meistertitel gefeiert und auch in der Nati zusammen gespielt.

Unsere Geschichte geht wirklich weit zurück. Sie hat damals bei GC angefangen. An unsere Anfänge in der Nati kann ich mich gut erinnern, dazu gibt es eine lustige Story.

Erzählen Sie!

Wir haben unser Debüt im Nati-Shirt gemeinsam gefeiert. Das war 1994 bei einem Freundschaftsspiel in Sion gegen die Vereinigten Arabischen Emirate. Ich wurde für die letzte halbe Stunde für Marco Pascolo eingewechselt. Auch Muri spielte erstmals, sah dann aber kurz vor Schluss die rote Karte (lacht).

Wie erlebten Sie Yakin als Spieler?

Für mich war es immer grossartig, wenn er vor mir in der Abwehr spielte. Seine Ruhe am Ball war beeindruckend.

Er galt nicht gerade als trainingsfleissig …

Das mag sein, aber spielte überhaupt keine Rolle. Muri hat seine Leistungen immer gebracht.

Yakin und Zuberbühler halten einen Pokal in die Höhe.
Legende: Champagnerdusche Yakin und Zuberbühler bei einem der fünf gemeinsamen Meistertitel. Keystone/Georgios Kefalas

Was kann er dieser Nati mitgeben, was sie vorhin vielleicht noch nicht hatte?

Muri ist ein absoluter Glücksfall für die Nati! Nach Vladimir Petkovic – der auch sehr viel Gutes gemacht hat, das darf man nicht vergessen – ist er genau der Richtige. Er weiss, wie er mit den Spielern, nicht zuletzt den «Secondos», umgehen muss. Was dieses Team seit geraumer Zeit auszeichnet: Wenn es darauf ankommt, ist es bereit. Das haben wir immer wieder gesehen.

Sie sprechen jetzt vor allem vom Team als Ganzem. Wie beurteilen Sie die individuelle Klasse in der Mannschaft?

Das Team ist individuell super besetzt! Das beginnt schon bei den Torhütern. Es ist beeindruckend, welche Dichte an tollen Goalies wir haben. Das ist ein sehr wichtiges Fundament, wenn man etwas Grosses gewinnen möchte. Dann haben wir eine richtig gute Achse mit Granit Xhaka als Häuptling und Captain dieser Mannschaft. Ich verspreche mir Einiges.

Sie haben die Torhüter angesprochen. Yann Sommer verletzte sich kurz vor der WM am Knöchel. Wie schwierig ist es für einen Goalie, das Vertrauen nach einer solchen Verletzung schnell wieder zu finden?

Die Verletzung sah nicht schön aus, ganz klar. Aber Yann ist ein absoluter Profi, er weiss genau, wie er seinen Körper pflegen muss. Er hatte in seiner Karriere bislang wenig Verletzungen. Das zeigt auch, wie professionell er ist. Er hat alles dafür getan, um an dieser WM fit zu sein.

Beim Spiel gegen Ghana hatte man allerdings den Eindruck, dass sein Vertrauen noch nicht wieder bei 100 Prozent ist.

Dieses Spiel würde ich nicht überbewerten. Wichtig ist, dass ein Nationaltrainer sich festlegt, eine Hierarchie schafft. Sommer ist klar die Nummer 1 und hat selbst gesagt, dass er spielen kann. Die Nati wird mit ihm ins Turnier starten. Ich kann absolut verstehen, dass sich Yakin und Goalie-Trainer Patrick Foletti so entschieden haben.

Mit Gregor Kobel, Jonas Omlin und auch Philipp Köhn würden hinter Sommer drei Goalies bereitstehen, die sehr gut in Form sind. Wie beurteilen Sie deren Entwicklung?

Das sind allesamt klasse Goalies! Gerade Gregor Kobel gibt mächtig Gas. Das hört man nur schon bei seinen Interviews: Er ist abgeklärt und weiss genau, wohin er möchte. Aber er ist ein Profi. Er ist nicht einer, der sagt, er müsse jetzt spielen. Er wartet auf seine Chance und wird dann bereit sein. Genau so muss es sein! Jonas Omlin bringt fantastische Voraussetzungen mit, Philipp Köhn zeigt bei Salzburg tolle Leistungen. Und dann gäbe es ja auch noch Yvon Mvogo, der leider verletzt ist. Auf dieser Position müssen wir uns in Zukunft null Sorgen machen. Ich sage es nochmals: Wenn du im heutigen modernen Fussball einen guten Torhüter hast, dann wirst du Turniere gewinnen können.

Sie glauben offensichtlich daran, dass die Nati an dieser Endrunde zu Grossem fähig ist. Können wir Ihnen zum Schluss noch einen Tipp entlocken?

Ich bin in meiner Funktion (als Fifa-Mitarbeiter, Anm. d. Red.) natürlich neutral (lacht). Ich kann mir gut vorstellen, dass sich die Schweiz plötzlich im Halbfinal wiederfindet. Das erste Spiel gegen Kamerun wird schwierig werden, aber wir wissen ja: Es gibt keine kleinen und einfachen Gegner mehr. Aber eine Halbfinal-Qualifikation, warum nicht? Mich würde es nicht überraschen.

SRF zwei, sportlive, 17.11.2022, 10:40 Uhr

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