Über die sportliche Klasse von Neymar gibt es kaum Zweifel. Der mittlerweile 30-Jährige ist seit Jahren der legitime Nachfolger von Pelé oder Ronaldo. Mit seinen 75 Toren für die «Seleçao» liegt er in der Skorerwertung seines Landes nur 2 Treffer hinter Pelé zurück (wobei dieser deutlich weniger Einsätze dafür brauchte). Der einzige Fleck im Reinheft Neymars ist der fehlende WM-Titel.
2014 und 2018 war Brasilien schrecklich abhängig von Neymar.
Doch da gibt es auch noch die andere Seite: Kaum einer ist so ballverliebt wie der Brasilianer, kaum ein Akteur liebt das Spiel mit der Theatralik so sehr wie Neymar. So hat sich der Offensivmann von PSG seit längerem nicht nur Freunde geschaffen. Auch in seiner Heimat gibt es kritische Stimmen. Deshalb wird nach seinem Ausfall für die WM-Vorrunde nicht überall geweint.
So sagt der brasilianische Journalist Francisco De Laurentiis, der seit 2013 über die «Seleçao» berichtet, gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA über das Vorrunden-Aus des Superstars: «Neymar ist natürlich immer noch der Beste, aber sein Ausfall ist keine Tragödie mehr.»
Brasiliens Offensive ist schon weltmeisterlich
Anders als noch vor ein paar Jahren ist die brasilianische Nationalmannschaft vor allem in der Breite mittlerweile deutlich besser besetzt. «2014 und 2018 war Brasilien schrecklich abhängig von Neymar. Als er sich an der Heim-WM verletzte, gab es das 1:7 gegen Deutschland», erklärt De Laurentiis. «Vier Jahre später in Russland war er nicht gut. Da fiel er vor allem dadurch auf, dass er sich ständig auf dem Boden wälzte.»
In Katar habe Nationaltrainer Tite 9 Stürmer mit dabei – und jeder einzelne unter ihnen könne für den Unterschied sorgen. Tatsächlich liest sich das Kader Brasiliens in der Offensive wie das «Who's Who» des europäischen Spitzenfussballs: Hinter Richarlison (Tottenham) – der Serbien mit einem Doppelpack im Alleingang abschoss –, Vinicius (Real Madrid), und Raphinha (Barcelona), die neben Neymar das 1. Vorrundenspiel begannen, lauern Gabriel Jesus (Arsenal), Antony (ManUnited), Rodrygo (Real), Gabriel Martinelli (Arsenal) oder Pedro (Flamengo) auf ihre Chance.
Wer auch immer gegen die Schweiz von Beginn an stürmen wird, die Aufgabe für die Schweizer Defensive wird am Montag auch ohne den verletzten Neymar keine einfache werden. Fokussiert sich mit ihm auf dem Feld vieles auf den 30-Jährigen, könnte das Spiel Brasiliens ohne Neymar unberechenbarer werden – und nicht unbedingt schlechter.
Brasilien: 1 Alisson; 14 Eder Militão, 4 Marquinhos, 3 Thiago Silva, 6 Alex Sandro; 5 Casemiro; 21 Rodrygo, 7 Paqueta; 11 Raphinha, 9 Richarlison, 20 Vinicius Junior.
Bemerkungen: Brasilien ohne Neymar und Danilo (beide verletzt).