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Blanc: «Dialog statt Boykott» Stell dir vor, es ist WM, und keiner geht hin

1 Jahr vor der WM in Katar ist das Interesse der Nati-Fans bescheiden. Wie geht der Verband mit Menschenrechtsfragen um?

Sie macht aktuell grosse Freude, die Schweizer Nati. Wie sie erst Italien die Stirn bot, dann Bulgarien mit 4:0 nach Hause schickte und damit zugleich das WM-Ticket löste. Dass über dieser Qualifikation dennoch beständig eine Wolkenschicht schwebt, ist nicht dem Team anzulasten. Vielmehr lassen Zeit und Ort keine bedingungslose Euphorie zu.

Katar im Winter. Eine unselige Kombination, die auch die «Freunde der National-Mannschaften» zu spüren bekommen. Geht im Normalfall die Qualifikation für einen Grossanlass mit einer erhöhten Nachfrage der 2000 Mitglieder nach Tickets und Reisen zum Event einher, ist nun alles anders. «Wir haben bis heute nicht eine einzige Anfrage erhalten», erzählt Rico Luginbühl, Präsident der Schweizer Fussballfreunde.

Kann ich die Reise in ein Land mit dieser menschenrechtlichen Situation verantworten?

Einerseits bleibt noch fast genau ein Jahr Zeit, andererseits befänden sich viele Nati-Supporter im Zwiespalt ob der Frage: «Kann ich eine Reise in ein Land mit solch prekärer menschenrechtlicher Situation verantworten?»

Den Einfluss dieser Gretchenfrage anerkennt auch Dominique Blanc. Der Präsident des Schweizerischen Fussballverbands relativiert aber: «Sie sind zuallererst Fussball-Fans und reisen wegen dem Sport nach Katar.» Von Boykottforderungen hält der Waadtländer nichts. Der Verband setzt auf Dialog.

Blanc: «Fortschritte, aber Umsetzung macht Probleme»

Mit 9 anderen Verbänden wie Deutschland, England, Frankreich und den skandinavischen Vertretern gründete der SFV eine Kommission. Die Menschenrechts- und Arbeitssituation wird dabei genau unter die Lupe genommen, alle Betroffenen angehört. Blanc spricht von «grossen Fortschritten» in Sachen Mindestlohn und Arbeitnehmerschutz. Er kann indes nicht verhehlen, dass «die Umsetzung der neuen Gesetze noch Probleme bereitet».

Der Weg des SFV ist effektiver, als es ein Boykott je sein könnte, zitiert Blanc den Präsidenten der Menschenrechtsverbände Katars. Auch das Timing sei Ideal, die WM prädestiniert dazu, die Fortschritte zu beschleunigen.

Erling Haaland
Legende: Farbe bekennen Die Norweger um Stürmerstar Erling Haaland setzten im Quali-Spiel gegen die Türkei ein Zeichen. Für die Schweizer Nati kommt dies momentan nicht in Frage. Keystone

Luginbühl: «Die Lautstärke Schritt für Schritt erhöhen»

Den «Freunden der Nationalmannschaften» genügt der Status quo jedoch nicht. «Die Lautstärke kann man auch regulieren. Vielleicht muss man diese nun Schritt für Schritt erhöhen», fordert Luginbühl.

Auf einen visuellen Protest, etwa in Form von Aufschriften auf den Trainingskleidern, verzichtet das Nationalteam. Während beispielsweise die Akteure Deutschlands, Norwegens oder der Niederlande sichtbar einen «Wechsel» in Bezug auf «Human Rights» forderten, kommt das für die Nati aktuell nicht in Frage. «Die Spieler haben selbst entschieden, dass die Stimme des Verbands ausreicht», schildert Blanc.

Mit starken Leistungen auf dem Platz könne der Fussball am meisten erreichen, ist sich der Verband sicher. Auch wenn die Schweiz sportlich in Katar für Furore sorgen sollte: Für viele Fans wäre es wohl nur ein schwacher Lichtschimmer hinter der Wolkendecke.

SRF zwei, sportpanorama, 21.11.21, 18 Uhr ; 

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