Michael Frey hat eine unfassbare Saison hinter sich. Mit 24 Toren schoss er Royal Antwerpen auf den 4. Rang der belgischen Meisterschaft – und damit in die Quali zur Conference League. Im nächsten Jahr will man im Titelkampf involviert sein. Der Stürmer schwärmt von der «wunderschönen Stadt», einzig die Berge fehlen ihm. Wir haben mit ihm über seine Leistung in Antwerpen, seine zweite Leidenschaft Kunst und das erneut ausgebliebene Aufgebot fürs Nationalteam gesprochen.
SRF Sport: Michael Frey, Wissen Sie, was Sie in der vergangenen Saison mit Mario Balotelli gemeinsam hatten?
Ja, ich glaube gelesen zu haben, dass er auch 5 Tore in einem Spiel geschossen hat.
Richtig, Ihnen gelang dies beim 5:2 gegen Standard Lüttich. Nehmen Sie uns noch einmal mit in dieses Spiel: Was haben Sie gedacht, gefühlt?
Speziell war: Ich habe mich schon vor dem Spiel gut gefühlt. Wenn man früh trifft, kommt man in einen Flow. Jeder Ball ging ins Netz, wir agierten auch als Team stark. Alle haben mir nach dem Match gratuliert. Doch ich habe erst zuhause gemerkt, dass mir schon etwas ganz Spezielles gelungen ist. Der Matchball mit allen Unterschriften hat einen besonderen Platz im Gestell.
Am Ende wurden es 24 Saisontore: Was war das Rezept zur starken Saison?
Ich habe täglich hart gearbeitet, mich weder von Höhen noch Tiefen beirren lassen. Ich hatte ein Top-Umfeld und super Mitspieler, die mich mit Vorlagen gefüttert haben. Das waren die Hauptgründe.
Sie haben von Ihrem Trainer Brian Priske geschwärmt. Zur neuen Saison erhalten Sie mit Mark van Bommel indes einen neuen Chef. Was erwarten Sie sich von ihm?
Ich freue mich, er wird sicher neue Dinge mitbringen, wovon ich lernen kann. Neue Inputs sind immer gut. Ich gehe davon aus, dass wir uns gut verstehen werden.
Haben Sie sich schon bei einem Schweizer Landsmann erkundigt? Admir Mehmedi, Kevin Mbabu und Renato Steffen spielten bei Wolfsburg unter Van Bommel.
Bis jetzt noch nicht, das ist aber eine gute Idee. In der Vorbereitung lerne ich ihn dann kennen. Wenn die Mechanismen greifen, wird das schon funktionieren – wie immer bei neuen Trainern.
In Antwerpen haben Sie noch einen Vertrag für 2 Jahre. Besteht trotzdem die Möglichkeit, dass Sie vor dessen Ablauf in eine Top-5-Liga wechseln?
Grundsätzlich bin ich bei Royal sehr glücklich. Auf den Rest konzentriere ich mich nicht, das macht mein Berater, dem ich zu 100 Prozent vertraue. Nichtsdestotrotz: Die Top-5-Ligen waren immer ein Ziel von mir, dafür arbeite ich auch hart. Einen Traumklub gibt es nicht. Ich verfolge aber die Premier League sehr intensiv.
Denken Sie gelegentlich auch über eine Rückkehr in die Schweiz nach?
Im Moment noch gar nicht. Ich bin in der Blüte meiner Karriere, will in den nächsten Jahren im Ausland bleiben und so viel wie möglich erleben. Irgendwann kommt man immer zurück. Ich bin aber erst 27-jährig, kann noch gut 10 Jahre auf hohem Niveau spielen.
Die belgische Liga im Allgemeinen: Wie schätzen Sie diese im Vergleich mit der Super League ein? Wo sind Unterschiede, wo Gemeinsamkeiten?
Die Schweiz hat eine gute Liga. Vom athletischen und technischen Aspekt her stufe ich die belgische Liga ganz klar höher ein. Hier gibt es wahnsinnig viele Spieler, die im 1-gegen-1 sehr gut sind.
Kunst spielt eine wichtige Rolle in Ihrem Leben. Sie haben in Antwerpen ein Gemälde für einen guten Zweck versteigert. Was bedeutet Ihnen das Malen, und wie kamen Sie zu dieser für Fussballer untypischen Beschäftigung?
Als kleiner Junge war ich entweder draussen am Fussballspielen oder ich sass drinnen am Pult und zeichnete. Es liegt meiner Familie im Blut: Mein Grossvater konnte sehr gut malen und zeichnen. Es ist meine zweite Leidenschaft, beim Malen kann ich alles vergessen und bin in meiner eigenen Welt – der perfekte Ausgleich zum Fussball.
Ich würde meinem jüngeren Ich sagen: ‹Schau, wie sich die älteren Spieler benehmen, wenn sie auf der Bank sitzen.›
Steht dieses Hobby auch ein wenig für Michael Freys Persönlichkeitsentwicklung? Früher hatten Sie in der Schweiz den Ruf, nicht immer ein einfacher Spieler zu sein …
Wie jeder Mensch, der älter wird, Erfahrungen macht, bin ich intelligenter geworden. Wohl auch reifer und stabiler. Das ist auch eine Grundvoraussetzung, um als Profi im Ausland zu überleben. Dazu gehören auch die richtigen Leute im Umfeld.
Was würden Sie mit Ihrer jetzigen Erfahrung dem 16-, 17- oder 18-jährigen Michael Frey raten?
In sportlicher Hinsicht gar nicht viel. Er hat vieles richtig gemacht. Vielleicht: «Arbeite mit dem Rücken besser zum Tor!» Das konnte ich in jungen Jahren noch gar nicht gut, es wurde mir aber auch nie beigebracht. Daran habe ich später hart gearbeitet.
Und menschlich … Klar kann man sagen, es wäre gelegentlich besser, ruhig zu bleiben und die Emotionen im Zaum halten. Wenn man jung ist, fällt das nicht immer leicht. Ich würde sagen: «Schau, wie sich die älteren Spieler benehmen, wenn sie auf der Bank sitzen.» Ich habe viel aus den jüngeren Jahren gelernt.
Reden wir noch kurz über die Nati: Gegen Tschechien und Portugal hat sich die Offensive schwer getan, ineffizient agiert. Eigentlich bräuchte die Nati einen Knipser wie Sie …
Das liegt nicht in meinen Händen. Ich habe schon damit gerechnet, dass nach meinem Ausland-Rekord und meinen vielen Toren ein Aufgebot kommt. So bleibt es noch ein Bubentraum, der jedoch dank harter Arbeit wahr werden soll.
Wie hat Murat Yakin die Nicht-Berücksichtigung in der Nations League erklärt?
Dass andere Spieler die Nase vorne haben, dass das Momentum auf ihrer Seite ist. Das muss ich akzeptieren. Der WM-Zug ist jedoch noch nicht abgefahren, der Traum lebt ganz sicher weiter.
Sie schiessen Tor um Tor: Was sonst können Sie aktiv dazu beitragen?
Als Stürmer sind Tore schon das Wichtigste. Fussballerisch versuche ich jeden Tag, noch besser zu werden. So kann ich der Nati vielleicht eines Tages helfen – hoffe ich.
Das Gespräch führte Pascal Roganti.