Was sind die Gründe für das unerwartet frühe Aus von Deutschlands Nationalmannschaft? Stephan Reich vom deutschen Fussball-Magazin 11 Freunde analysiert:
1. Eine Mannschaft über ihrem Zenit
Gleich sechs Spieler aus der Weltmeistermannschaft 2014 standen auch beim 0:2 gegen Südkorea auf dem Platz, und möglicherweise fängt hier das Problem bereits an. Denn in den drei kläglichen Vorrundenspielen wirkten Müller, Khedira und Co. satter als ein deutscher Tourist am All-Inclusive-Buffet, nur eben weniger entschlossen. Und ohne Hunger, alte Regel, holt man eben auch keine Titel.
2. Ein Trainer ohne Plan B
Noch 2014 wirkte Jogi Löw derart vital, dass er ohne Probleme in einen dieser hippen Mentos-Werbespots reingepasst hätte. Vier Jahre später ist der Zauber verflogen, vor allem auch taktisch.
Die Spiele gegen Mexiko und Südkorea zeigten deutlich: Einen echten Plan B hatte Löw nicht. Oder war er einfach zu sehr damit beschäftigt, sich darauf zu konzentrieren, nicht irgendwo hinzugreifen, wo es sich nicht gehört?
3. Zu viele Nebenschauplätze
In der Berichterstattung vor und während der WM hatte man nicht selten das Gefühl, gerade eine käsige Vorabend-Seifenoper zu verfolgen und nicht etwa sportliche Berichte zur Deutschen Nationalmannschaft. Zunächst bestimmten Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit ihrem unglücklichen Erdogan-Foto die Schlagzeilen.
Dann diskutierte Deutschland über die verunglückte Wahl des Mannschaftsquartiers in einer kasernenartigen Sportschule in Watutinki, dann gab es einen Shitstorm gegen die erste Fussball-Kommentatorin des Landes, dann folgte eine Medienschelte von Toni Kroos. Und dann, tja, war Deutschland plötzlich ausgeschieden. Ups.
4. Überheblichkeit
Wenn zweitrangige Funktionäre wild jubelnd vor der Bank des Gegners auf- und abspringen, wie nach dem 2:1-Sieg gegen Schweden, dann ahnt man schon, dass etwas nicht stimmt. Zumal auch viele andere Kleinigkeiten darauf hindeuteten, dass das deutsche Lager die WM mit einer gewissen Überheblichkeit anging.
Etwa die Wahl des Mannschaftsquartiers, die auch deshalb auf Watutinki fiel, weil von dort die Austragungsorte des Halbfinals und Finals schnell zu erreichen sind. Immerhin: Auch der Flughafen war schnell zu erreichen. Fast ein bisschen zu schnell.
5. Keine herausragende Bank
Wenn mehrere Stammkräfte ausser Form sind, schlägt bei einem Turnier ja gerne Mal die Stunde der Bankspieler, die sich dann furios in den Vordergrund spielen. Und bei Deutschland? Leroy Sané durfte gar nicht erst mit, Julian Brandt nur wenige Minute spielen, Sebastian Rudy brach sich die Nase und nach Leon Goretzka müsste man eigentlich einen Suchtrupp losschicken, so unsichtbar war er gegen Südkorea.
Sendebezug: Laufende WM-Berichterstattung SRF zwei