Mit Remo Freuler stellt sich einer der international renommiertesten Schweizer Mittelfeldspieler einer turmhohen Herausforderung. Mit Nottingham will er sich in der Premier League etablieren.
Nach über sechs Jahren folgt die markante Luftveränderung. Addio Italia, Ankunft in den englischen Midlands. Freuler muss sich neben dem Fussball um bürokratische Nebenschauplätze kümmern. «So ist das halt, wenn man umzieht», lacht der 30-Jährige und meldet: «Ich bin gut angekommen.»
Im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA äussert sich Freuler am Tag nach seinem erfolgreichen Debüt beim Aufsteiger im Ligacup gegen den Viertligisten Grimsby Town (3:0) erstmals ausführlich zum Transfer und zum ungewöhnlich emotionalen Abschied in Bergamo.
Das spannende Projekt in England fasziniert ihn: «Mich überzeugt, was Nottingham vorhat. Gegen 150 Millionen Euro hat die Klubleitung in den letzten Wochen in neues Personal investiert.» Den Mann mit der Erfahrung von über 200 Einsätzen in der Serie A und mehrjähriger Champions-League-Erfahrung haben sie als Hoffnungsträger empfangen: «Der Dirigent ist da.»
Remo Freuler, die Derniere in Bergamo verlief berührend. Die Tifoseria würdigte Sie mit einem eindrücklichen Statement: «Wer unser Trikot geehrt hat, wird unvergessen bleiben. Grazie Remo!»
Remo Freuler: Der Abschied löste bei mir tatsächlich starke Emotionen aus. Ich verbrachte fast sieben Jahre in Italien. Da kommen in einem solchen Moment natürlich sehr viele Erinnerungen hoch. Die schönen Reaktionen der Fans haben mich tief berührt. In diesem Ausmass habe ich die Rückmeldungen nicht erwartet. Die Menschen haben meine Arbeit, meine Art geschätzt. Darauf bin ich enorm stolz.
Im internationalen Fussball-Business sind ergreifende Szenen wie jene im Stadion von Atalanta und der grosse Applaus in den Social-Media-Kanälen inzwischen die Ausnahme. Die Fans gönnen Ihnen den Transfer nach England offenbar von Herzen.
Das ist heutzutage nicht mehr üblich. Vielleicht hatte ich auch deshalb Respekt vor dem Tag des Abschieds. Niemand kann erahnen, was ein solcher Entscheid bei den Anhängern auslösen könnte. Umso schöner fiel die Bestätigung dafür aus, in den letzten sechseinhalb Jahren einen ausgesprochen guten Eindruck hinterlassen zu haben.
Wie stark sind Sie vom langjährigen Engagement in Norditalien geprägt worden?
Sehr fest! Es war die bisher beste Zeit meiner Fussball-Karriere. Bergamo ist für mich eine riesige Erfahrung, die ich nie vergessen werde – womöglich auch eine Lebensschule. Diese Stadt werde ich für immer in meinem Herzen tragen. Ich habe den italienischen Lebensstil genossen, ich habe mich in diesem Land extrem wohlgefühlt. Auch deshalb war es nicht einfach, nun einen solchen Schritt zu wagen.
Was hat Ihnen Gian Piero Gasperini an guten Wünschen mitgegeben? Der Coach hat Sie auf Ihrem erfolgreichen Weg bei Atalanta während sechs Spielzeiten intensiv begleitet.
Er reagierte auf meinen Wechselwunsch von Beginn weg völlig offen und erklärte mir sofort, mir keineswegs Steine in den Weg legen zu wollen. Ich führte mit ihm sehr gute Gespräche. Er wünschte mir nur das Beste und viel Glück in England.
Wie ist die Ankunft in einem komplett neuen Umfeld verlaufen? Wie sind die ersten Eindrücke in der Garderobe?
Wieder etwas ganz Neues zu sehen tut mir gut. Man benötigt schon ein paar Tage, um richtig anzukommen. Aber ich bin kein Teenager mehr – die meisten wussten bereits, woher ich komme, welche Rolle ich in der Serie A gespielt habe. Vom ersten Tag an war der Respekt mir gegenüber spürbar.
Ihr Standing beim ehemaligen Champions-League-Viertelfinalisten Atalanta war ausgesprochen hoch, Sie gehörten zum Captain-Team. Ist die grosse Challenge, in England eine ähnliche Rolle anzupeilen?
Ich muss mich wieder neu beweisen, das ist so. Von der Vergangenheit habe ich nichts mehr. Aber das ist auch okay. Dieser Schritt wird sich auf meine Entwicklung positiv auswirken.
Warum haben Sie sich für den Premier-League-Aufsteiger Nottingham entschieden?
Der Klub hat sich intensiv um mich bemüht und mir ein Projekt präsentieren können, das spannend und ambitioniert ist. Ich habe mir diesen Wechsel gut überlegt, das war kein Bauchentscheid innerhalb von 24 Stunden. Mich überzeugt, was Nottingham vorhat. Die Verantwortlichen haben ein Team zusammengestellt, das im ersten schwierigen Jahr nach dem Aufstieg in der Premier League bestehen kann.
Was strahlt die Premier League für Sie aus? Weshalb wird sie global so massenhaft verfolgt wie keine andere Liga?
Die Vereine haben beeindruckende finanzielle Ressourcen zur Verfügung. Die Strahlkraft der Liga ist gigantisch. Entsprechend war für mich der Anreiz gross, auf diesem Top-Niveau mitspielen zu dürfen. Für meine Karriere ist dieser Transfer genau das Richtige. Ich freue mich enorm auf die Duelle mit den internationalen Grössen.
Wie sieht Ihr persönlicher Game-Plan für die kommenden Tage und Wochen aus?
Der Einsatz im Ligacup (3:0 gegen Grimsby Town) war mit dem Trainer abgesprochen. Dann habe ich weitere Trainingseinheiten zur Verfügung, um gut in Schwung zu kommen. Und wichtig ist, dass Nottingham ein guter Start gelungen ist. Das bringt Ruhe und gibt allen Selbstvertrauen.