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Von Tunesien nach Japan Ben Khalifa: «Kam an einen Punkt, an dem es nicht mehr ging»

Bei Espérance Tunis ist Nassim Ben Khalifa nicht glücklich geworden. Nun spielt der 30-Jährige nicht ganz zufällig in Japan.

Vor gut 3 Wochen ist Nassim Ben Khalifa in Japan angekommen. Schon vier Tage später folgte das Debüt für seinen neuen Klub Sanfrecce Hiroshima. In drei weiteren Meisterschaftsspielen in der japanischen JLeague hat der ehemalige Schweizer U17-Weltmeister seither 190 Minuten Einsatzzeit angesammelt.

Eine anständige Zahl, wenn man bedenkt, dass Ben Khalifa gerade erst in der Stadt angekommen ist, die im 2. Weltkrieg von einer Atombombe fast komplett zerstört worden war. Noch wohnt er im Hotel, in Kürze soll er aber seine Wohnung beziehen können.

Die Stimmung war immer sehr heiss. Bis zu einem gewissen Punkt mag man das als Fussballer. Aber dort wurde diese Grenze oft überschritten.
Autor: Nassim Ben Khalifa über seine Zeit in Tunesien

Eine anständige Zahl aber auch, wenn man sie mit derjenigen aus der tunesischen Meisterschaft vergleicht, in der Ben Khalifa zuletzt engagiert war. Seit November kam er für seinen Klub Espérance Tunis nur noch in der afrikanischen Champions League sporadisch zum Einsatz. «Ich bin an einen Punkt gekommen, an dem es für mich nicht mehr gegangen ist. Gleichzeitig kam die Offerte aus Japan. Deshalb habe ich den Vertrag aufgelöst», erzählt Ben Khalifa im Gespräch mit SRF Sport .

Tunesien und Japan – zwei völlig verschiedene Welten

Über seine neue Heimat Japan weiss der 4-fache Schweizer Internationale bisher nur Gutes zu berichten. Das betrifft auch die Fans. «Es ist sehr friedlich hier, alle sind sehr lieb, so etwas habe ich noch nie gesehen.» Der Kontrast zu den vergangenen knapp eineinhalb Jahren im Herkunftsland seiner Eltern ist markant.

Für viele sei das Fussball-Stadion dort ein Ort der Frustbewältigung. «Die Stimmung war immer sehr heiss. Bis zu einem gewissen Punkt mag man das als Fussballer. Aber dort wurde diese Grenze oft überschritten», sagt Ben Khalifa über seine Zeit in Tunis.

Dass es ihn nach Stationen in der Schweiz, Deutschland, Belgien, der Türkei und Tunesien nun nach Japan gezogen hat, ist kein Zufall. Trainer bei Sanfrecce Hiroshima ist ein gewisser Michael Skibbe. Unter dem Deutschen hat Ben Khalifa schon bei den Grasshoppers gespielt.

Skibbe war es auch, der ihn danach zu Eskisehirspor in die Türkei geholt hat. «Ich habe keine Sekunde überlegt, als er mich gefragt hat. Er ist ein super Mensch und ich habe es auch als Trainer sehr gut mit ihm. Ich mag es, wie er Fussball sieht», so der weitgereiste Stürmer.

Hiroshima ist für ihn der 7. Klub in den letzten 6 Jahren. Nicht immer war Ben Khalifa mit seinem Arbeitgeber im Guten auseinander gegangen. Man erinnert sich etwa an die Episode beim FC St. Gallen, als sich der Stürmer gerichtlich die Teilnahme am Abschlusstraining erstritt.

Ich wünsche allen Mitspielern, die ich einmal hatte, das beste Leben. Aber so wie ich jetzt bin, bin ich sehr zufrieden
Autor: Nassim Ben Khalifa hadert nicht mit seiner Vergangenheit

Ben Khalifa findet nicht, dass er ein schwierig zu führender Spieler ist. «Wenn ich nicht zufrieden bin und ich sehe, dass man mich nicht will und ich es irgendwo anders besser haben kann, dann ist klar, dass ich diese Chance nützen will», sagt er. Dass seine Karriere von Wechseln und Leihen geprägt ist, ist auch zahlreichen Verletzungen geschuldet, die ihn immer wieder zurückwarfen.

Eine universelle Sprache und Top-Infrastruktur

Mit seiner Vergangenheit hadert Ben Khalifa nicht. Nicht mit seinen Verletzungen. Und auch nicht damit, dass die Karrieren ehemaliger Weggefährten ungleich erfolgreicher verlaufen sind. «Ich schaue nur vorwärts. Ich wünsche allen Mitspielern, die ich einmal hatte, das beste Leben. Aber so wie ich jetzt bin, bin ich sehr zufrieden», so der 30-Jährige.

Was hat es eigentlich mit dem Namen «Sanfrecce» auf sich?

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Sanfrecce bedeutet «drei Pfeile» (von japanisch san = drei, italienisch frecce = Pfeile), was sich auch im violetten Logo des Klubs widerspiegelt.

Die Legende der drei Pfeile geht zurück auf Mori Motonari, einen Samurai aus dem 16. Jahrhundert. Der Legende nach soll dieser jedem seiner Söhne einen Pfeil in die Hand gegeben und sie aufgefordert haben, diesen zu zerbrechen.

Nachdem dies allen gelungen war, sollten sie ein Bündel von drei Pfeilen zerbrechen, wozu keiner in der Lage war. Seither stehen die drei Pfeile in Japan als Symbol dafür, dass man mit vereinten Kräften mehr erreichen kann.

Ein paar Brocken Japanisch hat Ben Khalifa seit seiner Ankunft in der Hafenstadt Hiroshima bereits gelernt. Muss er auch, wenn er sich mit seinen Teamkollegen bei Sanfrecce verständigen will. «Die meisten können kein Englisch. Aber es gibt eine universale Sprache mit Augen und Händen. Alle Leute, die ich bisher getroffen habe, sind sehr lieb und hilfsbereit», schwärmt er.

Und auch über die JLeague weiss Ben Khalifa nur Gutes zu berichten. Die Spieler seien schnell, technisch stark und zudem sehr diszipliniert. «Und auch die Stadioninfrastrukturen sind überragend. Ich bin jetzt seit 3 Wochen hier und ich kann nur sagen, dass es super ist.»

SRF zwei, Sportflash, 16.05.2022, 22:40 Uhr ; 

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