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Schweizer Nationalspieler nach der Niederlage in England
Legende: Ratlos Die Schweizer Nati-Spieler nach dem England-Spiel. keystone

Nationalmannschaft «Diese Mannschaft braucht Leitwölfe»

Vladimir Petkovic sagte nach dem England-Spiel: «Wir waren auf Augenhöhe». Sind wir das wirklich? Nach den beiden Spielen der Wahrheit gegen Slowenien und England lässt sich diese Meinung nur bedingt teilen.

Der Abstand zur internationalen Spitze scheint nicht kleiner geworden zu sein. Zwei Runden vor Schluss ist die Teilnahme in Frankreich so gut wie gesichert, die Pflicht erfüllt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und auch jetzt lässt sich nicht abschliessend beurteilen, wie stark die Schweiz wirklich ist.

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Sascha Ruefer kommentiert seit 2008 die Spiele der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft auf SRF. Unterstützt wird er dabei von Assistent Renato Schatz, mit dem er gemeinsam den aktuellen Zustand der Nati analysiert hat.

Freilich, sie hat unter Petkovic an Spektakel gewonnen. Vor allem Shaqiri hat von den gewonnenen Freiheiten unter Petkovic profitiert und steht am Ursprung der deutlichen Siege gegen Litauen, San Marino und Estland. Das 4-3-3 von Petkovic scheint flexibler, scheint dynamischer als das 4-2-3-1, welches unter Hitzfeld gespielt wurde. Die Siege gegen San Marino, Litauen und Estland waren souverän und torreich.

Charakter bewiesen, Beweis schuldig geblieben

Die Schweiz hat auch Charakter bewiesen, als sie nach schwachen Auftritten und Rückständen noch siegte. Litauen dient als Beispiel, der Schlussspurt gegen Slowenien war aufregend, das Aufbäumen bemerkenswert. Keine Frage, diese junge Nationalmannschaft hat Potenzial. Aber hat sich das Team in den letzten Monaten auch weiterentwickelt?

Die Frage bleibt unbeantwortet. Zu gross sind die Schwankungen im Team, zu gross das Leistungsgefälle der Qualifikationsgegner. Die Probleme unter Hitzfeld begleiten auch Vladimir Petkovic. Die Innenverteidigung muss verletzungsbedingt oft neu aufgestellt werden, was Fehler wie gegen Slowenien begünstigt. Dem Mittelfeld fehlt es oftmals an Kreativität. Das äussert sich vor allem gegen kleinere Gegner, die tief stehen und kompakt verteidigen. Es gelingt dann zu selten offensive Akzente zu setzen.

Neue Hierarchien sind gefragt

Hinzu kommt, dass im Angriffsspiel vieles von Shaqiri und seiner Tagesform abhängig ist. Kann der Gegner seinen Radius zudem einschränken, wird’s eng. Slowenien hat das gezeigt, Litauen auch. Im Wembley blieb Shaqiri blass und offenbarte augenfällig, dass ihm Spielpraxis fehlt. Es wird an Petkovic liegen, die offensive Verantwortung künftig auf mehrere Schultern zu verteilen. Und im Team Hierarchien zu formen. Denn die haben sich offensichtlich verändert.

Unter Ottmar Hitzfeld wurden die Leitwölfe Frei und Inler stets bedingungslos gestützt. Bei Petkovic scheint das weniger Gewicht zu haben. Inler auf die Bank zu setzen mag mutig sein, ist aber nicht ungefährlich. Denn diese junge, zweifellos talentierte Schweizer Mannschaft braucht Leitwölfe, um ihre Ziele zu erreichen. Leitwölfe, deren Wort Gewicht und im Mannschaftsverbund Akzeptanz haben. Sommer wäre mittelfristig prädestiniert, Xhaka braucht wohl noch etwas Zeit, um diese Aufgabe erfüllen zu können.

Aussichten bleiben gut

Das spielerische Potenzial ist unter Petkovic nicht kleiner geworden. Mit Juwelen wie Embolo und der Tatsache, dass noch mehr Spieler in grossen Ligen agieren, ist das Potenzial eher gewachsen. Die Aussichten für dieses junge Team bleiben rosig. Das relativiert die Enttäuschung nach dem England-Spiel. Je näher man der internationalen Spitze kommt, desto kleiner werden die Entwicklungsschritte.

Das aktuelle Team in allen Sichtweisen an der Parforce-Leistung aus dem WM-Achtelfinal gegen Argentinien zu messen, wäre ungerecht. Die wahre Stärke liegt irgendwo zwischen Frankreich-Debakel und Argentinien-Highlight. Ein breites Spektrum. Wo genau man steht wird sich wohl erst zeigen, wenn sich die besten Europas messen: an der EM. Und da wird das Schweizer Team dabei sein.

Sendebezug: SRF zwei, sportlive, 08.09.11, 20:00 Uhr

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