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Stolz trotz WM-Aus Russen haben «Grenze des Glücks erreicht»

Der Tenor bei Präsident Putin und den übrigen Fans ist klar: Der WM-Gastgeber hat alle Erwartungen übertroffen.

Als Russlands Trainer Stanislaw Tschertschessow kurz nach der dramatischen Penalty-Niederlage gegen Kroatien Wladimir Putin am Telefon hatte, der ihm zu den tollen Leistungen gratulierte, war dies ein kleiner Trost. «Ich habe ihm gesagt, dass wir enttäuscht sind», verriet der 54-Jährige. «Wir fühlen uns ein bisschen wie Wehrpflichtige, die früh abgezogen wurden.»

«Sie sind auf dem Feld gestorben»

Ausser bei den Direktbeteiligten überwog im ganzen Land schon kurz nach dem Schlusspfiff der Stolz, wobei sich auch Kreml-Sprecher Dimitri Peskow militärischen Vokabulars bediente: «Sie sind Helden. Sie sind auf dem Feld gestorben!» Regierungschef Dimitri Medwedew, der das Drama live im Stadion von Sotschi miterlebte, sprach von Emotionen, wie er sie noch nie bei einem Fussballspiel erlebt hatte.

Wohlwollende Worte in den Medien

Doch nicht nur die Politik, sondern auch Fans und Medien waren von ihrem Nationalteam begeistert. «Die Grenze des Glücks ist erreicht», titelte etwa die Gazeta . Für den Sport-Express ist Russland der «Champion der Herzen». Und die Frage, wann die Sbornaja die nächste Chance auf einen WM-Halbfinal habe, beantwortete das Blatt gleich selbst: «Wahrscheinlich erst beim nächsten Heimturnier, wenn wir alle nicht mehr leben.»

Anders als Brasilien vor vier Jahren waren die Russen ohne Kredit angetreten, um dann alle Erwartungen zu übertreffen. «Vor einem Monat haben die Fans über die Mannschaft gelacht, jetzt lieben sie sie von Herzen», so der Sport-Express weiter.

Wohlwollende Worte kamen schliesslich auch von Komsomolskaja Prawda ( «Es ist schade, aber danke, Nationalmannschaft!») und Sowjetski Sport : «Danke, Jungs! Ihr habt gegen Kroatien verloren, aber wie die Löwen gekämpft.» Worte, wie sie die Gastgeber beim Abschied nicht immer zu hören bekommen.

So ging die WM für die Gastgeber der letzten 20 Jahre zu Ende:

  • 2014: Brasilien erleidet im Halbfinal gegen Deutschland die «schlimmste Niederlage aller Zeiten». Das 1:7-Debakel nagt nachhaltig am Selbstverständnis einer ganzen Fussball-Nation.
  • 2010: Trotz eines 2:1-Sieges über die desolaten Franzosen ist für Südafrika die erste WM auf dem «Schwarzen Kontinent» schon nach der Gruppenphase vorbei. Euphorie und langfristiger Aufschwung: Fehlanzeige.
  • 2006: Deutschland präsentiert sich als erstklassiger Gastgeber und erobert Sympathien rund um den Globus. Das Turnier endet im Halbfinal in einer unvergesslichen Verlängerung gegen den späteren Weltmeister Italien.
  • 2002: Co-Gastgeber Südkorea stürmt voller Euphorie (und mit glücklichen Schiedsrichter-Entscheidungen) bis in den Halbfinal, wo Deutschland Endstation bedeutet. Japan scheitert im Achtelfinal an der Türkei.
  • 1998: Frankreich gelingt es als bislang letztem Ausrichter, den Heimvorteil in den Titel umzumünzen. Zidane macht sich beim 3:0-Finalsieg über Brasilien als Doppeltorschütze unsterblich, die «Grande Nation» ist begeistert.

Sendebezug: Laufende WM-Berichterstattung SRF zwei

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