Varol Tasar hat mit bislang 6 Meisterschaftstoren gewichtigen Anteil am guten Lauf von Servette in der aktuellen Saison. Im SRF-Interview spricht der 23-Jährige über die Gründe für den tollen Lauf des Aufsteigers und über schwierige Momente in seiner Karriere.
SRF Sport: Servette überrascht als Aufsteiger mit dem 4. Platz. Sind Sie selber auch überrascht?
Varol Tasar: Nein, denn wir haben eine gute Mannschaft und kennen unsere Qualitäten. Wir wissen, wie wir spielen wollen und haben das bislang gut gemacht. Dass wir da oben sind, ist der Lohn dafür.
Wie lautet das Erfolgsrezept?
Servette hatte schon im letzten Jahr in der Challenge League eine gute Mannschaft, ist mit grossem Vorsprung Erster geworden und verdient aufgestiegen. Zum eingespielten Team sind im Sommer ein paar Zugänge dazugekommen – ich bin ja auch neu hier. Das Selbstvertrauen konnten wir in die Super League mitnehmen. Und auch der Respekt ist nach 5, 6 Spieltagen verflogen. Seitdem zeigen wir, was wir können.
Ihnen persönlich läuft es mit 6 Meisterschaftstoren bislang ebenfalls rund, Sie sind der Topskorer Ihres Teams. Wieso fühlen Sie sich in Genf so wohl?
Ich hatte am Anfang Probleme, mich einzufinden. Nach 7 Spielen bin ich ins Rollen gekommen und habe begonnen, Tore zu schiessen. Der Trainer hat mir immer das Vertrauen gegeben, ich bin glücklich, dass ich dieses mit Toren zurückgeben kann.
Mit 12 oder 13 Jahren wollte ich einfach Fussball spielen. Es war mir egal, ob ich beim FCB spiele oder bei Old Boys Basel.
Wie schwierig war die Umstellung vom FC Aarau in der Deutschschweiz auf Servette in der Westschweiz?
Am Anfang war es schwierig. Ich habe mich gefragt ‹Was mache ich hier. Ich kann kein Wort Französisch und verstehe nichts.› Aber ich habe mich schnell daran gewöhnt. Alle im Klub sind mir entgegengekommen und haben mich super aufgenommen.
Wie ist Ihr Französisch mittlerweile?
Nächste Woche beginne ich mit einem dreimonatigen Kurs und hoffe, dass ich ein bisschen was lerne. Momentan verstehe ich noch nicht so viel.
Wie läuft die Verständigung?
Es gibt viele, die Englisch oder Deutsch sprechen. Wenn ich etwas nicht verstehe, kann ich Joël Kiassumbua, Dennis Iapichino oder Michael Gonçalves fragen, die auch Deutsch sprechen. Auf dem Feld ist die Sprache kein Problem, da verständigen wir uns auf Englisch.
In der Türkei wurde ich vom Fussball so richtig enttäuscht. Das Profigeschäft hatte ich mir anders vorgestellt. In dieser Zeit sagte ich mir, dass es mit dem Profifussball vielleicht einfach nicht sein soll.
Im Moment sind Sie im Hoch – doch das war nicht immer so. In Ihrer Jugend stand ein Wechsel zum FC Basel im Raum …
Ja, damals hatten wir in der Familie finanzielle Probleme und es klappte deshalb nicht mit einem Wechsel zum FCB. Aber mit 12 oder 13 Jahren wollte ich einfach Fussball spielen. Es war mir egal, ob ich beim FCB spiele oder bei Old Boys Basel.
Mit 19 erlitten Sie den nächsten Rückschlag, als Sie bei Aydinspor in der Türkei strandeten. Können Sie uns in die Zeit von damals mitnehmen?
In der Türkei wurde mir gesagt, dass ich eine Verstärkung sei und spielen würde, was dann leider nicht der Fall war. Nach meinem ersten Monatsgehalt kam kein Geld mehr. Da wurde ich vom Fussball so richtig enttäuscht, das Profigeschäft hatte ich mir anders vorgestellt. In dieser Zeit sagte ich mir, dass es mit dem Profifussball vielleicht einfach nicht sein soll. Ich bin nach Hause zurückgekehrt, wollte einen Monat lang keinen Ball mehr sehen und nichts mehr mit Fussball zu tun haben. Dann hat mich ein Kollege zum Futsal überredet und der Spass ist zurückgekommen. Diese Zeit hat mir geholfen, wieder an den Fussball zu glauben.
In der denkwürdigen Barrage von Aarau gegen Xamax schossen Sie beim 4:0 im Hinspiel 2 Tore, ehe die Aarauer im Rückspiel im Elfmeterschiessen den Aufstieg dramatisch verpassten. Wie sehr schmerzte das, obwohl Ihr Wechsel zu Servette da bereits klar war?
Aarau hat mir den ersten Profivertrag gegeben, hat mich spielen lassen und mich fussballerisch zu dem gemacht, der ich heute bin. Ich hätte mich mit einem schönen Erlebnis verabschieden wollen, das hat leider nicht geklappt. Wir haben wohl einfach schon zu sehr geglaubt, dass wir in der Super League stehen und den entscheidenden Match einfach «verpennt». Das hat sehr geschmerzt. Es sind viele Tränen geflossen.
Es gab danach verschiedene Angebote aus der Super League. Wie entscheidet man sich da für einen Klub?
Das habe ich mit meinem Berater angeschaut. Als junger Spieler hatte ich noch nicht so viel Erfahrung und deshalb auch Fehler gemacht.
Am Wochenende geht es gegen den FCZ. Bei einem Sieg können Sie die Zürcher distanzieren.
Wir haben zuletzt gegen St. Gallen unglücklich verloren und dabei einige 100-prozentige Chancen vergeben. Mindestens ein Unentschieden hätten wir mitnehmen müssen. Gegen Zürich treten wir zuhause an, und in der Offensive sind wir eh immer für ein Tor gut. Wenn wir spielen, wie wir es können, werden wir das Spiel gewinnen.
Gegen den FCZ haben Sie in 2 Spielen noch nie getroffen. Führen Sie eine Liste mit den Treffern, die Sie erzielt haben?
Nein, das nicht (lacht). Im ersten Spiel wurde ich eingewechselt, im zweiten fehlte ich, weil ich mich kurz vor dem Spiel leicht an den Adduktoren verletzt hatte und der Trainer nichts riskieren wollte. Wir haben jenes Spiel aber auch ohne mich 5:0 gewonnen und das ist das Wichtigste.
Wo steht Servette am Ende der Saison?
In der oberen Tabellenhälfte.
Und wo stehen Sie in 5 Jahren?
Das kann ich heute noch nicht so genau sagen. Ich muss einfach immer so weitermachen wie aktuell und meinem Team mit Toren helfen, dann schauen wir mal, was noch kommt. Ich bin in Deutschland aufgewachsen, deshalb wäre es ein Traum, einmal in der Bundesliga spielen zu können. Aber dafür muss ich weiter hart an mir arbeiten.
Sendebezug: SRF zwei, «Super League - Goool» vom 09.02.20