Leonidas Stergiou gehört zu den Senkrechtstartern im Schweizer Fussball-Jahr 2019. Im vergangenen Dezember noch im Nachwuchs aktiv, ist der Innenverteidiger mittlerweile eine unverzichtbare Kraft im Team der überraschenden Ostschweizer.
Im Interview spricht der erst 17-Jährige über sein Standing als «Novize», seine Bodenhaftung, seine Unlust am Ausgang und seine Vorstellungen für die Zukunft, die noch gar nicht weit reichen. Wenig konkret sind übrigens auch die Ferienpläne des Youngsters. «Es gibt kein Last-Minute-Angebot in die Wärme. Lieber verbringe ich zusammen mit meiner Familie ein paar Wintertage in der schönen Schweiz», sagte Stergiou, bevor er sich in die Pause verabschiedete.
SRF Sport: Was hätten Sie entgegnet, wenn Ihnen Anfang 2019 jemand 26 Einsätze in diesem Jahr als Stammkraft für den FC St. Gallen prophezeit hätte?
Leonidas Stergiou: Mein erster Gedanke wäre gewesen, dass dies nun doch etwas übertrieben sei. Aber manchmal geht es nun mal schnell, in meinem Fall nahm irgendwie fast alles automatisch seinen Lauf. Ich wurde in die 1. Mannschaft aufgenommen, und flugs ging's rasant weiter. Ich hatte gar keine Zeit, mir den Kopf darüber zu zerbrechen.
Kennen Sie keine Selbstzweifel?
Doch, die hat wohl jeder. Ich bin längst nicht immer zufrieden mit mir und meinen Aktionen. Und am Anfang meiner Super-League-Karriere als 16-Jähriger, war dies sicher nicht einfach. Ich spielte auf einen Schlag vor 10'000 Zuschauern und mehr – das war eine gewaltige Umstellung. Leicht fiel mir dies keineswegs. Ich benötigte Zeit, um mich ans Profi-Level zu gewöhnen. Enorm hilfreich war dabei, dass ich getragen wurde von einem Team im sportlichen Hoch. Ich konnte mich in diesem Sog weiterentwickeln.
Welche drei Wörter umschreiben Sie am treffendsten?
Bodenständig, fokussiert und fröhlich.
Dank Unterstützung seitens der Mannschaft, meines Trainers und des Umfeldes konnte ich schnell vergessen.
Welches war Ihr persönlicher Glücksmoment der Super-League-Vorrunde 2019/20?
Das Heimspiel gegen Basel, als es ‹pumpenvoll› war (0:0). Oder aber die Spektakel-Partie beim Meister YB (3:4).
Und wo bezahlten Sie das bisher teuerste Lehrgeld?
Im 1. Saisonduell mit den Young Boys (2:3), als ich in zwei Szenen nicht gut aussah. Dank vorbildlicher Unterstützung seitens der Mannschaft, meines Trainers und des ganzen Umfeldes konnte ich diese schnell vergessen.
In welchen Situationen merken Sie, dass Sie eigentlich noch ein blutiger Anfänger sind?
Dort, wo die Erfahrenheit eine zentrale Rolle spielt. Alles, was mit Spielintelligenz zu tun hat. Etwa, dass man in hitzigen Momenten den Ball vielleicht lieber mal ins Aus lässt. Wir sagen dem: ‹Einer ist ein Fuchs!›. Diesbezüglich habe ich noch einiges zu lernen. Doch irgendwann will auch ich ein solcher werden. Ganz generell möchte ich als eher kleiner Innenverteidiger meine Kopfballstärke verbessern.
Sie unterscheiden sich auch dadurch von Ihren Mitspielern, wie Sie ins Training kommen.
Ich bin der Einzige ohne Führerausweis. Also komme ich mit dem Zug oder werde vom Vater chauffiert, wenn dieser Zeit hat.
Haben Sie gespürt, dass Sie mit zunehmender Reife in diesem Jahr von Ihren Gegenspielern bereits anders wahrgenommen werden?
Dazu kann ich mich nicht äussern. Denn ich spreche während eines Spiels ja nicht mit dem Gegner und weiss darum nicht, ob er mir mehr Respekt entgegenbringt. Auch kenne ich vor allem nur die Kollegen aus der Schweizer Nachwuchsauswahl. Und ich lebe nach diesem Grundsatz: ‹Fokussiere dich auf dich›.
Auf was verzichten Sie im Vergleich zu Ihren Alterskollegen ausserhalb des Fussballs?
Ich stecke vor allem im Privatleben zurück, indem meine Freizeit viel knapper bemessen ist. Ich meine damit Zeit, die ich mit meiner Familie verbringen kann und mit Leuten, die mir nahestehen. Den Ausgang dagegen vermisse ich überhaupt nicht, irgendwie war ich noch nie der Typ dafür.
Ich bin das beste Beispiel dafür, dass es im Fussball schnell gehen kann.
Welche Wünsche haben Sie für die Rückrunde?
Natürlich möchten wir mit St. Gallen weiter auf der Erfolgswelle reiten. Es geht darum, jederzeit meine bestmögliche Leistung abzurufen und viele Punkte mitzunehmen. Doch in der Regel schaue ich gar nicht allzu weit voraus, sondern nur von Spiel zu Spiel.
Und wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Hoffentlich noch immer auf dem Fussballplatz (lacht) . Genau kann und will ich das nicht sagen. Denn im Fussball kann es schnell gehen. Ich bin das beste Beispiel dafür.
Das Gespräch führte Deborah Bucher.
Service
Sendebezug: SRF zwei, «sportaktuell», 16.12.2019 22:35 Uhr