Eigentlich sind die Rollen ja klar verteilt, wenn sich am Samstagabend Grün-Weiss und Gelb-Schwarz gegenüberstehen. Da sind auf der einen Seite die strauchelnden St. Galler Gastgeber, seit 10 Pflichtspielen sieglos, dabei nie ohne Gegentor. Und auf der anderen Seite die alles überstrahlenden Young Boys, die das letzte Direktduell gleich mit 5:1 für sich entschieden und nun vollendeten, was längst nur noch eine Frage der Zeit war: der 5. Meistertitel in den letzten 6 Saisons.
Doch ausgerechnet das Duell mit dem Branchenprimus stiftet St. Gallen Hoffnung auf lange nicht mehr erlebte Freuden eines Vollerfolgs. So gelang es den «Espen» vor dem traditionell euphorisierten Anhang am 7. Spieltag, YB eine von bislang erst 3 Niederlagen zuzufügen. Ohnehin resultierten aus den 5 letzten Direktduellen im kybunpark 3 Siege und 2 Remis zugunsten des Heimteams.
Weil auch Winterthur das Siegen vorübergehend eingestellt hat, ist der Mitte April von St. Gallens Trainer Peter Zeidler (der übrigens gegen YB sein 200. Spiel als Super-League-Trainer absolviert) ausgerufene Abstiegskampf mittlerweile des Alarmismus verdächtig. 8 Punkte müsste der FCW (und zugleich Sion deren 6) auf die Ostschweizer aufholen – in 5 Runden. Schwer vorstellbar.
Spiele der letzten Runde
Aber klar, es geht im Schlussspurt dennoch um viel im Osten des Landes. Um Argumente: Wieso Schlüsselspieler bleiben, weshalb Neuzugänge an die Sitter wechseln sollen. Warum die Fans weiterhin in Scharen ins Stadion strömen sollen, wenn ihr Team ohnehin wieder nur an Erfahrung gewinnt.
Formen der Katerstimmung
Bei den Young Boys wiederum stellen sich die üblichen Gretchenfragen einer verfrühten Meisterfeier: Wie gross ist nun noch die Bereitschaft, jeden Zweikampf anzunehmen? Welche eigentlichen Bankdrücker erhalten von Trainer Raphael Wicky nach dem erreichten Ziel mehr Einsatzzeit? Und wurden Meister-Champagner und -Zigarre schon in Gänze von den auf andere Kernkompetenzen getrimmten Körpern abgebaut?
Es geht also auch darum, wer seine Form des Katers besser bewältigen kann. Ganz zurücklehnen wird sich YB kaum. Zumal noch eine Entscheidung aussteht: Cedric Itten und Jean-Pierre Nsame liefern sich ein – zumindest von aussen erschreckend harmonisch wirkendes – Duell um die Torjägerkrone. Mit 18 Treffern hat Ex-FCSG-Stürmer Itten die Nase um ein Tor vorne.
Die jeweiligen Sorgen sind folglich bei beiden Teams von völlig unterschiedlicher Qualität. Ganz so klar ist die Rollenverteilung am Samstag wohl tatsächlich nicht.