Im Gespräch mit Keystone-SDA blickt Dani Wermelinger, Leiter des Ressorts Spitzenschiedsrichter beim SFV, auf eine Hinrunde zurück, die ihn insgesamt sehr zufrieden stellt.
Keystone-SDA : Dani Wermelinger, in diesem Herbst war es viel ruhiger um die Schiedsrichter als im Frühjahr.
In der Rückrunde der letzten Meisterschaft waren wir wirklich nicht gut. Wir haben Handlungsfelder ausgemacht und diese in der Sommerpause intern gut reflektiert. Wir können sagen, dass wir an den richtigen Schrauben gedreht haben. Dass wir insgesamt wieder mehr Ruhe haben, liegt sicher daran, dass wir auch in Volketswil (wo der VAR arbeitet) wieder mehr Ruhe haben.
Sie hatten auch öffentlich einen gewissen Aktivismus im Video Operation Room kritisiert.
Ja, wir waren in Volketswil zu detektivisch unterwegs. Wir hatten 2 gute Saisons, und der VAR wollte noch besser werden. Man wollte von 96 auf 98 Prozent kommen und hat dann zu genau hingeschaut.
Und nun sind Sie zufrieden? Über die Intervention des VAR bei der roten Karte am letzten Sonntag in Genf gegen Luganos Johan Nkama konnte man geteilter Meinung sein.
In dem Fall war die Frage: Absicht oder nicht Absicht? Am Ende kann dies nur der Spieler beantworten. Das ist ein Fall, den wir auch intern intensiv diskutieren. Da kann man auf beiden Seiten Argumente finden. Verärgert war ich in der letzten Rückrunde, aber jetzt bin ich sehr stolz auf unser Kader, wie es reagiert hat.
Die Diskussionen haben nicht unbedingt abgenommen. Hat der VAR die Erwartungen erfüllt?
Also für mich zu 100 Prozent, der VAR ist nicht mehr wegzudenken. Die Erkenntnis ist, dass sich das Problem nach Volketswil verlagert hat. Es wird viel mehr über die VAR-Entscheide geredet. In Volketswil hat es Menschen, und wo Menschen arbeiten, besteht immer ein Restrisiko für Fehler. Wir haben vielleicht unterschätzt, dass die Zuschauer im Stadion oder am Fernseher von einer Null-Fehler-Kultur ausgehen. Entscheide, die nicht 100 Prozent klar sind, geben immer auf der einen oder anderen Seite Diskussionen, das gehört dazu.
Viele Schiedsrichter müssen nebenbei noch 50 Prozent arbeiten. Dies ist eigentlich kaum mehr machbar.
Das ist im Moment für mich das grösste Spannungsfeld. Wir haben immer mehr Verletzte, die Leute sind immer angespannter. Die Regeneration kommt zu kurz. Wir müssen jetzt alle überlegen – der Verband, die Swiss Football League, wir Schiedsrichterverantwortlichen –, welche Möglichkeiten wir haben. Denn so wie jetzt kann es in den nächsten 5 Jahren nicht weitergehen. Wenn wir unsere Leute am Ende nicht mehr einsetzen können, weil sie verletzt oder mental ausgelaugt sind, dann geht das nicht.
Wir haben vielleicht unterschätzt, dass die Zuschauer im Stadion oder am Fernseher von einer Null-Fehler-Kultur ausgehen.
Am Ende ist es eine Frage des Geldes.
Ja, wir müssen aber unter Berücksichtigung der Ausgangslage, in der wir stecken, einen weiteren Schritt Richtung Professionalisierung machen. Mit jedem internationalen Einsatz werden unsere Schiedsrichter besser, aber dann musst du auch schauen, wie du sie noch in der Schweiz einsetzen kannst, ohne dass sie ausgelaugt sind. Im Moment stimmt die Work-Life-Balance nicht. Diese Sachen machen mir Sorgen.