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Die Analyse von Sascha Ruefer
Aus Sport-Clip vom 02.07.2021.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 20 Sekunden.
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Analyse der Nati-Kampagne Ruefer: «... dann hat man alles richtig gemacht»

Vom Remis gegen Wales über die klare Pleite gegen Italien, zu den begeisternden Siegen über die Türkei und Frankreich bis zum knappen Viertelfinal-Out gegen Spanien. Die Schweiz hat an der EURO 2020 ein Wellenbad der Gefühle durchlebt.

Hinter dem Mikrofon begleitete SRF-Kommentator Sascha Ruefer das Team beim ersten Einzug in die Runde der letzten 8 seit 67 Jahren. Im Interview blickt er auf die letzten 3 Wochen zurück.

SRF Sport: Sascha Ruefer, wie fällt Ihre Turnierbilanz aus Schweizer Sicht aus?

Sascha Ruefer: Wenn eine Schweizer A-Nationalmannschaft den Viertelfinal an einer Europameisterschaft erreicht, dann hat sie alles richtig gemacht. Unter dem Strich kann man also sagen, dass es eine sehr erfolgreiche EM war. Man hat am Ende in den beiden K.o.-Spielen eine Schweizer Nati gesehen, die Freude bereitet hat, die alles drin hatte, was man von einer Mannschaft erwartet. Deshalb darf man ein positives Fazit ziehen.

Was war am Ende ausschlaggebend dafür, dass es endlich mit dem Viertelfinal geklappt hat?

Es ist insgesamt das Resultat einer langjährigen Entwicklung. Vladimir Petkovic hat die Mannschaft stetig weiterentwickelt. Sie hat in den letzten Jahren an Erfahrung gewonnen und zeigte sich jetzt an der EM variabel in ihrem Spiel. Die Spieler, die das Heft in die Hand nehmen mussten, spielen auch bei ihren Klubs eine Rolle. Ich glaube, das war die Voraussetzung, um diese Leistung zu bringen. Zudem war diese Mannschaft so etwas wie eine Wundertüte: Sie braucht ganz offensichtlich die Energie von anderen Schauplätzen, um sich selber in eine Sphäre hochzuschaukeln, die solche Leistungen erst möglich macht.

Welche Seite der Nati hat Ihnen besonders gefallen?

Spätestens in den beiden K.o.-Spielen hat diese Mannschaft der Öffentlichkeit – und wohl auch sich selber – bewiesen, dass sie keine zerstückelte Geschichte ist, sondern als Einheit auftritt. Da waren 26 Spieler am Werk, die wie eine Familie unterwegs waren. Das war letztendlich auch das Verdienst von Vladimir Petkovic, der diese Mannschaft zu dieser verschworenen Einheit gemacht hat.

Sascha Ruefer

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Der 49-jährige Seeländer arbeitet seit 1997 für SRF und kommentiert die Spiele der Schweizer Nationalmannschaft seit 13 Jahren.

Gibt es bei allem Erfolg auch Punkte, die man noch verbessern muss?

Ja, denn die Aufarbeitung dieser EM ist trotz allem wichtig, es ist nicht alles perfekt gelaufen. Wenn Geschichten wie Autos, Frisuren oder Tattoos so in der Öffentlichkeit breitgetreten werden, hat man wohl im Umfeld nicht alles richtig gemacht. Das wären vermeidbare Nebenschauplätze gewesen. Zum Teil hing die Kampagne an einem ganz dünnen Faden. Dass es am Ende trotzdem doch gut herausgekommen ist, war ehrlicherweise auch ein wenig Glück. Bei aller Euphorie über das Abschneiden braucht es deshalb eine Aufarbeitung dieser EM, um auch im Umfeld der Nati einen Schritt weiterzukommen.

Welche Entwicklungen sind nötig, damit man auch in Zukunft regelmässig so weit kommt?

Die Regelmässigkeit von Endrunden-Teilnahmen darf man in der Schweiz nicht voraussetzen. Man muss immer noch schauen, wer die Schweiz ist: ein kleines Land mit 8 Millionen Einwohnern. Es ist immer noch etwas Spezielles, ganz Aussergewöhnliches, dass so viele gute Fussballer in wenigen Jahrgängen so etwas vollbringen können. Man muss sich darauf einstellen, dass auch wieder schwächere Jahrgänge kommen, dass diese Selbstverständlichkeit von Endrunden-Teilnahmen nicht immer gewährleistet ist. Man darf sich nicht ausruhen und muss diesen stetigen Umbruch, der in einer Mannschaft stattfindet, mit langfristigen Perspektiven vorantreiben. Es kommen gute Jahrgänge nach, aber das braucht ein wenig Zeit. Deshalb wird es ganz entscheidend sein, was auf der Trainerposition passiert. Bleibt Vladimir Petkovic auch nach dieser EM Trainer oder sagt er sich: ‹So weit komme ich mit dieser Mannschaft nie mehr – ich nehme eines dieser lukrativen Angebote an, die offenbar da sind?› Das wird sicher mitentscheidend sein für die Entwicklung im Schweizer Fussball.

Gab es eine Szene, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Die entscheidende Szene spielte sich wohl abseits der Kameras ab. Nachdem die Schweiz gegen Frankreich das 3. Tor erhalten hatte, lag die Mannschaft am Boden. Granit Xhaka besprach sich danach kurz an der Seitenlinie mit Petkovic und ging dann zurück zu Yann Sommer und sagte: ‹Jetzt muss irgendetwas passieren.› Von den Kameras wurde das nicht eingefangen, aber es ist überliefert. Diese Szene zeigt einerseits, dass Xhaka auf dem Platz tatsächlich der Chef ist, weil er gemeinsam mit Yann Sommer diese Mannschaft wieder wachgerüttelt hat. Zum anderen aber auch, dass Leben in diesem Team ist.

SRF zwei, sportlive, 02.07.2021, 18:00 Uhr;

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