Sie waren so nah dran. Bei der WM 2018 stand England endlich mal wieder in einem WM-Halbfinal – nach 28 Jahren. Da war dann allerdings Endstation. 1:2 hiess es nach Verlängerung gegen Kroatien – ausgerechnet Kroatien. Schon 11 Jahre zuvor hatte Mladen Petric mit seinem 3:2-Siegtor die EM-Qualifikation Englands verhindert und das proppenvolle Wembley-Stadion in ein Tränenmeer gestürzt.
Diesmal soll alles anders werden. Das englische Team scheint bereit, Kroatien endlich einmal in einem wichtigen Spiel besiegen zu können. Talent ist ausreichend vorhanden: Jude Bellingham, Phil Foden, Jadon Sancho, Bukayo Saka; die Liste liesse sich fast beliebig fortsetzen und liest sich teils wie das «Who is Who» der europäischen Jungstars. Dazu spielt im Sturm noch ein gewisser Harry Kane.
Alleine 7 Spieler im Kader standen beim Champions-League-Final auf dem Platz. Und trotzdem stellt England das zweitjüngste Kader im Teilnehmerfeld. Trainer Gareth Southgate hat keine leichte Aufgabe, um aus dem Talentpool die richtige Formation zu finden.
Gegner Kroatien hingegen ist noch auf Formsuche. Glanzlichter setzte der Vize-Weltmeister seit der Finalniederlage bei der WM 2018 gegen Frankreich nur noch selten, dafür kassierte er unter anderem ein 0:6 in Spanien oder stolperte über Ungarn (1:2) und den Fussballzwerg Aserbaidschan (1:1).
Im vorletzten Test vor der EM reichte es nur für ein 1:1 gegen Armenien. Die Mannschaft ist im Umbruch, mehrere WM-Stars haben aufgehört oder befinden sich im Formtief.
Kniefall sorgt für Diskussionen
Vielleicht können die Kroaten aus dem gestörten Binnenverhältnis zwischen englischer Nationalmannschaft und ihren Fans profitieren. Der Kniefall der englischen Spieler vor den Spielen als Zeichen gegen Rassismus sorgte für Zwist. Teils quittierten die Fans diesen mit Pfiffen und Buhrufen.
Wir stehen gemeinsam gegen Rassismus. Und damit ist alles gesagt.
Trotzdem will das Team daran festhalten. «Wir glauben, dass es das Richtige ist, das zu tun», betonte Marcus Rashford von Manchester United. «Und deshalb machen wir das auch weiter». Auch Teamkollege Jordan Henderson (Liverpool) will am Kniefall festhalten. «Wir stehen gemeinsam gegen Rassismus. Und damit ist alles gesagt», erklärte er dazu.
Zudem weht der Geist von 1996 rund ums Wembley-Stadion. Damals, als Paul Gascoigne bei der Heim-EM mit seinem Traumtor gegen Schottland in Wembley eine ganze Nation verzückte. ManCity-Star Phil Foden hat sich in Erinnerung daran sogar einen «Gazza»-Gedächtnislook zugelegt. Nun liegt es an ihm und seinen Teamkollegen, eine neue Begeisterung im Land zu entfachen.