Alberto Cerruti, Journalist bei der Gazzetta dello Sport , erklärt im Interview, worauf es in der Partie Schweiz - Italien vom Mittwoch ankommt.
SRF Sport: Alberto Cerruti, was erwarten Sie vom Spiel Schweiz - Italien?
Alberto Cerruti: Ich erwarte eine ausgeglichene Partie. Aber es wird sehr schwierig für die Schweiz, weil sie sich nach dem 1:1 gegen Wales keine weiteren Fehler erlauben kann. Und deshalb kann für das Team von Vladimir Petkovic zu diesem Zeitpunkt ein Remis gegen Italien als Sieg angesehen werden.
Italien hat gewonnen, die Schweiz nur Unentschieden gespielt. Was bedeutet das für die Partie vom Mittwoch?
Das spricht in psychologischer Hinsicht natürlich für Italien. Die «Azzurri» haben sehr gut gespielt. Auch wenn man sagen muss, dass die Türkei nicht so eine starke Mannschaft wie Wales ist. Das Unentschieden der Schweiz war eine halbe Niederlage.
Immobile und Belotti sind im Sturm Konkurrenten. Aber sie sind Freunde. Sie teilen sich das Zimmer.
Was muss die Schweiz im Vergleich zum Wales-Spiel ändern, um ein gutes Resultat gegen Italien rauszuholen?
Sie muss die Lehren aus dem Spiel gegen Wales ziehen. Wenn man in Führung geht, muss man sich sofort darum kümmern, das 2:0 zu erzielen. Und wenn man zurückliegt, nicht denken, dass es vorbei ist. Der mentale Aspekt ist entscheidend. Denn spielerisch ist die Schweiz eine gute Mannschaft. Und es wäre eine Überraschung, wenn die Schweiz die Gruppenphase nicht übersteht.
Worauf muss die Schweiz besonders achten?
Die Schweiz darf den Italienern keinen Platz auf den Aussenbahnen gewähren. Weil vor allem Spinazzola auf der linken Seite einer der auffälligsten Akteure ist. Und über diese linke Seite kommt auch Insigne, der immer wieder gefährlich zur Mitte zieht.
Wie steht es um den Teamgeist bei den Italienern?
Sehr gut. Immobile und Belotti zum Beispiel sind im Sturm Konkurrenten. Aber sie sind Freunde. Sie teilen sich das Zimmer. Belotti war der erste, der aufs Feld gerannt ist, als Immobile gegen die Türkei getroffen hat. Und das ist ein gutes Zeichen.
Und was ist die Schwäche der Italiener?
Italien ist es sich nicht gewohnt, angegriffen zu werden. Wenn die Schweiz es schafft, zu Beginn oder im Laufe der Partie hoch zu pressen, den Rhythmus zu erhöhen und über die Seiten anzugreifen, könnte Italien in Schwierigkeiten geraten.
Ich kann mich nicht an einen italienischen Nationaltrainer erinnern, der mehr Zuspruch von den Medien erhalten hat als Mancini.
Italien ist wunschgemäss gestartet. Kann Coach Roberto Mancini das Turnier nun etwas ruhiger angehen?
Ich kann mich nicht an einen italienischen Nationaltrainer erinnern, der mehr Zuspruch von den Medien erhalten hat als Mancini. Nicht ein Medienhaus kritisiert ihn. Es gibt nicht einen Journalisten, der zur Vorsicht mahnt. Die Fans gehen vorsichtiger mit dieser Euphorie um.
Mancini hat die «Squadra Azzurra» im Mai 2018 im schwierigsten Moment der Geschichte übernommen. Was hat er gemacht, dass Italien wieder so stark ist?
Das war für ihn nachträglich ein grosser Vorteil. Es hat dazu geführt, dass alles Gute, was er gemacht hat, noch grösser gemacht wurde. Jeder kleine Erfolg war noch schöner und wurde noch mehr geschätzt.
Was zeichnet seine Philosophie aus?
Mancini war ein herausragender Spieler, der es liebte, schönen Fussball zu spielen. Und dieses sehr offensive und attraktive Ballbesitzspiel hat er jetzt auch in die Nationalmannschaft gebracht.
Hat er Italien vom Catenaccio befreit?
Ich muss daran erinnern, dass er nicht der erste Trainer ist, dem dies gelungen ist. Denn auch Marcello Lippi und Cesare Prandelli haben das vor ihm geschafft. Schon das italienische Team an der WM 1982 spielte spektakulären Fussball. Mancini leistet gute Arbeit. Aber er hat die italienische Nationalmannschaft nicht neu erfunden.
Das Interview führte Sven Dalla Palma.